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KNA

Neue Eigentümer für den „Daily Telegraph“ gefunden

Der konservative „Daily Telegraph“ hing zwei Jahre in der Luft. Jetzt bekommt er einen neuen Besitzer, der verdächtig wie der alte heißt. Zunächst muss der Deal aber noch diversen Prüfungen standhalten

London (KNA) – Der „Daily Telegraph“ bekommt einen neuen Besitzer. Damit endet ein rund zweijähriges Tauziehen um die konservative britische Tageszeitung, an dem zunächst auch der deutsche Medienkonzern Axel Springer beteiligt war und in dessen Verlauf die britische Regierung sogar mit eigener Gesetzgebung eingegriffen hatte.

 

Nun gehen der „Daily Telegraph“ und das sonntägliche Schwesterblatt Sunday Telegraph für 500 Millionen britische Pfund (rund 596 Mio. Euro) an ein Konsortium unter der Führung der US-amerikanischen Investmentgesellschaft Red Bird Capital. Verkäufer ist eine andere, höchst ähnlich heißende Investmentgesellschaft, Red Bird IMI, die die Titel bereits Ende 2023 gekauft hatte. Auch hier war Red Bird Capital beteiligt, Hauptgeldgeber war mit 75 Prozent aber die von Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan kontrollierte IMI. Der Scheich ist Vizepräsident der Vereinigten Arabischen Emirate, was in Großbritannien zu Befürchtungen führte, der Golfstaat könne auf die redaktionelle Linie der Telegraph-Titel Einfluss nehmen.

 

Darauf hatte die frühere konservative britische Regierung unter Premierminister Rishi Sunak im Frühjahr 2024 ein Gesetz durchs Parlament gebracht, das ausländischen Staaten und deren Repräsentanten eine direkte Beteiligung an britischen Presseunternehmen verbietet. Seitdem waren die Titel wieder auf dem Markt.

 

Weitere Investoren gesucht
Nach Angaben von Red Bird Capital-Gründer Gerry Cardinale sollen in das Käufer-Konsortium jetzt „auch weitere britische Investoren mit einem Hintergrund im Verlagsgeschäft“ aufgenommen werden. Red Bird Capital wurde 2014 gegründet und hält weltweit Unternehmensbeteiligungen in Höhe von über 10 Milliarden US-Dollar (rund 8,8 Mrd. Euro). Dazu gehören neben Sportvereinen auch Medienunternehmen wie die US-Produktionsfirma Skydance, die den traditionsreichen internationalen TV- und Filmkonzern Paramount übernehmen will. In Großbritannien verhandelt Red Bird Capital auch über einen Einstieg bei der Privatsenderkette ITV.

 

Der 1855 gegründete „Daily Telegraph“ gehörte lange der Familie Berry, die als Viscounts Camrose zur Gruppe der britischen Pressebarone gehörten. 1986 gingen die Titel an den kanadisch-britischen Investor Conrad Black. Unter Black führte der „Daily Telegraph“ mit einer Auflage von zeitweise über einer Million Exemplare am Tag die Gruppe der britischen Qualitätszeitungen wie Times und Guardian an. Von ihrer politischen Haltung her waren beide Telegraph-Titel immer klar auf Seite der konservativen Partei in Großbritannien und fuhren einen stark euroskeptischen Kurs mit Blick auf die EU.

 

1987 stieß der spätere britische Premierminister Boris Johnson als Journalist zum Telegraph und war von 1989 bis 1994 dessen EU-Korrespondent. Aus Brüssel berichtete Johnson gern über angeblich unsinnige EU-Regulierungen, die sich später als erfunden oder zumindest stark übertrieben herausstellten. Johnson stieg später zum stellvertretenden Herausgeber des Blattes auf und schrieb auch als Politiker regelmäßig Kolumnen für die Telegraph-Titel.

 

Conrad Black muss ins Gefängnis
2004 wurde Black von seiner Firmenholding Hollinger, die zwischenzeitlich die drittgrößte Zeitungsgruppe der Welt war, wegen finanziellen Missmanagements entmachtet. Später wurde Black wegen Betrugs sogar zu knapp vier Jahren Gefängnis verurteilt, 2019 aber von US-Präsident Donald Trump begnadigt. Die Telegraph-Titel gingen 2004 für 665 Millionen Pfund an die Zwillingsbrüder Fred und David Barclay, zwei britische Milliardäre. Sie verordneten dem Blatt einen radikalen Sparkurs, entließen Hunderte Mitarbeiter und legten die bislang getrennten Redaktionen des „Daily Telegraph“ und des Sunday Telegraph zusammen. Die Titel blieben bei ihrer konservativen und euroskeptischen Haltung und gehörten 2016 zu den klaren Unterstützern des Brexits.

 

In den 2020er Jahren gerieten die „Barclay-Twins“, Jahrgang 1934, auch wegen absurder interner Familienstreitigkeiten über das künftige Erbe in finanzielle Schwierigkeiten. Der interne Machtkampf eskalierte derart, dass sich die unterschiedlichen Familienzweige sogar im Umfeld von Sitzungen der Familienholding im Londoner Nobelhotel Ritz gegenseitig abhörten.

 

2023 mussten die Telegraph-Titel zur Absicherung von Krediten bei der britischen Bankengruppe Lloyds hinterlegt werden, die sie wegen ausbleibender Zahlungen meistbietend weiterverkaufen wollte. Bei der im November 2023 gestarteten Auktion hatte sich zunächst auch der deutsche Medienkonzern Axel Springer für den „Daily Telegraph“ interessiert, dann aber wegen zu hoher Preisvorstellungen abgewunken.

 

Der Scheich und die Rothermeres
2024 tilgte dann der vom ehemaligen CNN-Chef Jeff Zucker geführte Investmentfonds RedBird IMI die Schulden der Barclays beim Bankenkonzern Lloyds, womit die noch laufende Auktion abrupt gestoppt wurde und die Titel formal wieder den Barclays gehörten. Da die künftige Führung der Telegraph-Gruppe aber bei Red Bird IMI liegen sollte, begann die bereits skizzierte politische Diskussion, die schließlich zum gesetzlichen Verbot ausländischer Staatsbeteiligungen führte. Seitdem hing die Zukunft der Titel in der Luft.

 

Ein weiterer Kaufinteressent, die DMGT-Gruppe der Familie Rothermere, hätte zwar über die erforderlichen Finanzmittel verfügt. Da die Daily Mail und weitere Rothermere-Titel aber den britischen Pressemarkt dominieren, wäre die Freigabe einer Komplett-Übernahme durch die britischen Medien- und Kartellbehörden höchst ungewiss gewesen.

 

Nun könnte DMGT doch noch zumindest teilweise zum Zuge kommen. Nach britischen Presseberichten will DMGT das Angebot von Red Bird Capital-Chef Cardinale annehmen und mit knapp 10 Prozent der Anteile in das Konsortium einsteigen. Mit dieser Minderheitsbeteiligung wären die konzentrations- und wettbewerbsrechtlichen Vorbehalte ausgeräumt, auch wenn der gesamte Deal noch eine offizielle Prüfung durch das britische Medienministerium und die Kartellbehörden durchlaufen muss. Und auch Scheich Mansour bleibt wohl ein bisschen an Bord: Die Labour-Regierung unter Premierminister Keir Starmer hatte im Vorfeld des Deals angekündigt, das Total-Verbot von Investitionen ausländischer Staaten in die britische Presse zu lockern. Künftig soll es eine Kappungsgrenze geben, nach der Beteiligungen von bis zu 15 Prozent zulässig wären.

 

Doch ob Starmer damit durchkommt, bleibt abzuwarten. Neben den Konservativen haben auch die britischen Liberalen Protest in beiden Kammern des britischen Parlaments angekündigt, das der Neuregelung noch zustimmen muss. Telegraph-Kolumnist Boris Johnson ist derweil ebenfalls weitergezogen. Er schreibt seit seinem – vermutlich nur vorübergehenden – Abschied aus der britischen Politik jetzt eine Kolumne für Rothermeres Daily Mail.