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Neue Prioritäten: Wie Medienprofis ihr Leben ändern, damit es besser zu ihnen passt

Neue Prioritäten: Wie Medienprofis ihr Leben ändern, damit es besser zu ihnen passt Attila Albert

Jeder von uns ist viel beschäftigt und hat Verpflichtungen. Wer in seinem Berufs- oder Privatleben etwas verändern will, muss sich daher auf Weniges konzentrieren, damit er überhaupt eine Chance hat. Mediencoach Attila Albert sagt, wie Sie das schaffen.

Berlin – Vor einiger Zeit interviewte mich ein Journalist zu einem meiner Bücher, und wir verstanden uns gleich gut. Da wir in derselben Stadt wohnen, verabredeten wir uns nach unserem Videocall für ein persönliches Kennenlernen. Daraus wurde ein mehrstündiger Spaziergang mit einer beidseitig interessanten Unterhaltung. Im Anschluss schlug er vor, dass wir das doch zukünftig an jedem letzten Samstag im Monat so machen könnten. So halten wir es seitdem. Unser Termin steht und erfordert daher kaum noch Planung. Der Austausch ist anregend, das Gehen tut gut. So sieht Entschlossenheit, vor allem aber: Prioritäten setzen.

 

Jeder von uns ist viel beschäftigt, hat Verpflichtungen und praktische Einschränkungen. Die Möglichkeiten sind immer begrenzt. Wer in seinem Berufs- oder Privatleben etwas verändern möchte, muss sich daher auf Weniges konzentrieren, damit er überhaupt eine Chance hat. Das bedeutet, Prioritäten zu setzen: Etwas als vorrangig zu definieren – so bedeutsam, dass anderes dafür zurückstehen oder ganz entfallen kann. Ich könnte an dem reservierten Samstag, an dem ich nun meinen Branchenkollegen treffe, auch länger schlafen, Büroarbeiten erledigen, mit dem Handy herumspielen oder spontan in die Stadt gehen. Aber ich weiß, dass mir Freundschaften und Bewegung wichtiger sind.

 

Führen heißt, Prioritäten zu setzen

Wie man es nicht machen sollte, führen leider manche Vorgesetzte vor. Sie entziehen sich der Entscheidung, was zugunsten eines wichtigen Zieles zurückstehen soll, und erklären einfach: „Das hat alles Prio 1!“ Für eine Führungskraft ist das glatte Arbeitsverweigerung, denn Entscheidungen sind seine wichtigste Aufgabe. Mitarbeiter, die einfach nur ihren Job machen wollen, stehen damit vor einem unlösbaren Dilemma: Sie reiben sich auf, bis sie sich ganz erschöpfen, und schaffen doch nie alles. Prioritäten setzen ist für jeden der wichtigste Weg, Führung zu zeigen. Das gilt in allen Lebensbereichen.

 

Viele Medienprofis im mittleren Lebensalter wünschen sich beispielsweise wieder mehr Freunde, mit denen sie sich austauschen oder etwas zusammen unternehmen können (z. B. etwas trinken gehen und reden, zum Sport, gemeinsam wandern). Die bisherigen Freunde aus der Schul- und Universitätszeit sind häufig beruflich und familiär ausgelastet, oft auch weggezogen. Was es heißt, das zur Priorität zu machen: Möglicherweise passende Kandidaten (z. B. im Kollegen- und Freundeskreis) ansprechen, gemeinsame Aktivitäten vorschlagen und schauen, wer auch interessiert ist und ein wenig Verbindlichkeit zeigt.

 

Andere haben das Gefühl, gar keine Zeit mehr für sich zu haben. Beruflich ist ständig etwas. Daheim wünschen sich Partner und Kinder Aufmerksamkeit. Dauernd ist zudem etwas zu erledigen, von Einkäufen und Hausarbeit bis zu Behördengängen. Bald fragt man sich: „Wo bleibe ich bei all dem?“ Was es heißt, das zur Priorität zu machen: Reservieren Sie sich einen festen Abend pro Woche (zwei bis drei Stunden), der Ihnen allein gehört und an dem Sie etwas tun, was Ihnen Freude macht. Ihr Partner bekommt dafür einen anderen Abend frei. Wer alleinerziehend ist, kann vielleicht einen Freund, Nachbarn oder eine Nanny engagieren.

 

Häufig ist auch das Gefühl, eigentlich kein besonders sinnvolles Leben zu führen. Man erledigt seine Arbeit und was sonst noch anfällt, freut sich aufs Wochenende und den nächsten Urlaub. Aber soll das wirklich alles sein? Was es heißt, das zur Priorität zu machen: Sinn heißt Selbstüberwindung, also in ein größeres Ganzes eingebettet zu sein und nicht immer nur um sich zu kreisen. Entscheiden Sie sich für ein Ehrenamt, zwei Stunden pro Monat genügen schon. Nehmen Sie etwas in Ihrer Nähe – in einem Sportverein mithelfen, einsame Menschen im Krankenhaus oder Heim besuchen, Mentor werden.

 

Nicht zuletzt wollen sich Medienprofis regelmäßig beruflich verändern oder verbessern. Das ist anspruchsvoll. Es sind zwar immer offene Stellen ausgeschrieben, aber viele Aspekte müssen für einen Erfolg passen (Profil, Gehalt, Arbeitsort usw.). Mancher belässt es deshalb bei halbherzigen Bewerbungen, vielleicht nur auf die gelegentliche Traumstelle, die dann auch alle anderen wollen. Was es heißt, das zur Priorität zu machen: Das eigene Profil, seine Wünsche und denkbare Flexibilitäten klären, vier bis sechs Bewerbungen pro Monat verschicken und mindestens zwei Branchenkontakte pro Woche neu knüpfen bzw. auffrischen.


Entscheidungen treffen, konsequent sein

Persönliche Prioritäten zu setzen ist mehr als eine Absichtserklärung, sondern erfordert Entscheidungen und damit die Bereitschaft zu Konsequenz:

1. Einen Lebensaspekt oder ein Ziel als besonders wichtig zu definieren. So wichtig, dass anderes dafür zurückstehen und manches ganz entfallen kann.

2. Einen bedeutsamen Teil Ihrer Ressourcen (Aufmerksamkeit, Zeit und Geld) darauf zu verwenden und dafür dort zu streichen, wo es weniger wichtig ist.

3. Das Naheliegende anzugehen, und zwar ganz praktisch. Nicht ewig nur darüber zu reden, „darüber nachzudenken“, sondern etwas direkt zu erledigen.

4. Bei Ihren Prioritäten zu bleiben, auch wenn andere Sie ständig für ihre eigenen Interessen einspannen wollen, ablenken und verunsichern.

 

Häufig muss man nicht viel aufgeben

Ganz selten muss man übrigens wirklich Wichtiges aufgeben, um sich seinen Prioritäten widmen zu können. Wie viel Zeit wird jeden Tag mit substanzlosem, oft sogar geradezu schädlichem Gerede und Selbstdarstellung auf LinkedIn und Facebook verschwendet, wie viel mit seichter, bald wieder vergessener Unterhaltung von TikTok bis Netflix. Wie viel für Diskussionen über Themen, von der Weltpolitik bis zu den Angelegenheiten von Prominenten, die das eigene Leben weder wirklich betreffen noch von einem zu beeinflussen sind. Etwas weniger davon, schon hat man mehr Zeit und Kraft, um sich seinen Prioritäten zu widmen.

 

Gerade in Zeiten knapperer Ressourcen und in denen sich so viele beruflich und privat überlastet fühlen, sind persönliche Prioritäten entscheidend. Gelegentlich geht es um Grundsatzentscheidungen, ob etwa ein Projekt fortgeführt oder beendet werden soll, häufiger aber um neue Schwerpunkte im Alltag, die anfangs kaum einen Unterschied zu machen scheinen. Aber eine Viertelstunde hier, ein Abend dort für die neuen eigenen Ziele – das addiert sich im Laufe der Zeit zu einem neuen Leben. Andere, die diese Entscheidungen nicht treffen wollten, werden später oft recht erstaunt sehen, wie weit Sie damit gekommen sind.

 

Zur vergangenen Job-Kolumne: Wie Medienprofis den Job finden, der wirklich passt

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.