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Presserat: "Verdeckte Recherche absolute Ausnahme"

Anlassfall "Max Rethow" im DJV-Organ "Journalist": Wie steht der Presserat eigentlich zum Thema verdeckte Recherche? Wir haben nachgefragt.

 

Berlin - "Zu den Grundsätzen einer Recherche gehört, dass ein Journalist sich zu erkennen gibt. Verdeckte Recherche ist nur die absolute Ausnahme", erklärt Referentin Edda Kremer auf Newsroom.de-Anfrage.

Kremer sagt, dass verdeckte Recherche lediglich dann gerechtfertigt sei, "wenn damit Informationen von besonderem öffentlichen Interesse beschafft werden, die auf andere Weise nicht zugänglich sind."

Als ein Instrument der verdeckten Recherche hält es Kremer, wenn Journalisten eine Handynummer und Emailadresse einrichten und Gesprächspartner zum Beispiel in Pressestellen so im Glauben lassen, dass es sie tatsächlich gibt: Ob dieser Einsatz überhaupt rechtens ist, "müsste man sich im Einzelfall genau ansehen. Ausschlaggebend ist jedoch, dass die verdeckte Recherche überhaupt gerechtfertigt ist."

Aus Sicht des Presserates sollten Journalisten, die von einem Thema mittelbar oder unmittelbar selbst betroffen sind, "schon allein den Anschein vermeiden, befangen zu sein und meiner Ansicht nach auf eine Berichterstattung verzichten, bei der sich Interessenskonflikte ergeben könnten", so Edda Kremer.

Sie hat auch zwei Beispiele zur Hand, über die der Presserat in Deutschland bereits geurteilt hat.

Beispiel 1: Ein SPD-Stadtverordneter arbeitet als freier Journalist und hat regelmäßig Beiträge in der örtlichen Zeitung veröffentlicht - auch über politische Themen. Es bestehen grundsätzlich keine ethischen Bedenken dagegen, dass ein Lokalpolitiker als freier Journalist arbeitet. Mit Ziffer 6 des Pressekodex (Trennung von Tätigkeiten) ist es allerdings nicht zu vereinbaren, dass der Betreffende auch über politische Themen schreibt, so der Presserat.

Beispiel 2:  Ein Chefredakteur einer Zeitung berichtet über eine Schule, in deren GmbH er Mitgesellschafter war. Eine etwaige Einflussnahme auf die Berichterstattung kann der Beschwerdeausschuss nicht erkennen. Der Chefredakteur hätte seine Funktion als Mitgesellschafter der GmbH in seinem aber Bericht erwähnen müssen, auch wenn er diese seit einiger Zeit nicht mehr ausübt. Die Leser wären durch einen solchen Hinweis in die Lage versetzt worden, den Beitrag entsprechend zu beurteilen, so der Presserat.

Hintergrund: Bislang keine Entschuldigung oder Erklärung vom DJV-Organ "Journalist"

Vor wenigen Tagen hatte Newsroom.de über eine verdeckte Recherche der DJV-Mitgliederzeitschrift "Journalist" berichtet. Dabei veröffentlichte das Verbandsorgan ein Stück über den Verkauf der Springer-Titel an die Funke Mediengruppe. Das Stück ließ der "Journalist" einen "Max Rethow" schreiben, dem sie sogar eine hübsche Vita verpasste: "Max Rethow ist freier Journalist. Er lebt in Köln und Berlin und schreibt vor allem über Medienthemen."

Dieser "Max Rethow" recherchierte, sprach mit verschiedenen Gesprächspartnern, hatte sogar eine eigene GMX-Email-Adresse und eine mobile Telefonnummer.

Nur - "Max Rethow" gibt es nicht.

Auf Twitter windet sich der "Journalist"-Chefredakteur auf Nachfrage des Journalisten Andreas Maisch lediglich, erklärt, "Ich würde eher sagen, Newsroom kennt sich möglicherweise mit journalistischen Standards nicht so gut aus."

Seinen Lesern und seinen Gesprächspartnern gegenüber hat sich der "Journalist", der vom Deutschen Journalisten-Verband herausgegeben wird, bislang immer noch nicht erklärt.

Bülend Ürük

 

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