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Newsroom – Marc Bartl

„Rechtsextrem – und jetzt?“ Was Journalismus nun leisten muss

„Rechtsextrem – und jetzt?“ Was Journalismus nun leisten muss AfD-Chefin Alice Weidel zu Gast bei Caren Miosga im Februar 2025 im Ersten (Foto: IMAGO / HMB-Media)

Der Verfassungsschutz stuft die AfD nun als „gesichert rechtsextremistisch“ ein. Medienhäuser und Politik diskutieren, wie Berichterstattung über die Partei künftig aussehen soll – zwischen journalistischer Verantwortung und öffentlichem Informationsauftrag.

Berlin – Bisher wurde die AfD auf Bundesebene vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer „Verdachtsfall“ eingestuft und beobachtet. Am Freitagvormittag teilte das Bundesamt mit, dass die Gesamtpartei nun als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ bewertet wird. Die Anhaltspunkte hätten sich „verdichtet“. Das bedeutet: Für den Verfassungsschutz steht fest, dass die AfD insgesamt rechtsextremistisch ist und gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet agiert. Die Entscheidung stellt eine deutliche Verschärfung der bisherigen Bewertung dar.

 

Der DJV-Bundesvorsitzende Mika Beuster nahm die Einstufung zum Anlass für eine Forderung an die Medien: „Selbstverständlich müssen wir auch weiter über die AfD berichten. Doch sie ist keine normale Partei aus dem demokratischen Spektrum, daher erfordert sie einen angepassten Umgang in der Berichterstattung. Wir Journalisten müssen die völkischen, rassistischen und rechtsextremen Absichten dieser Partei deutlicher hervorheben.“

 

Beiträge der AfD dürften in politischen Debatten nicht unkommentiert neben jene von demokratischen Parteien gestellt werden, betont der DJV-Chef: „Die AfD liefert einfache Antworten auf komplexe Probleme, was viele Menschen zunächst einmal anspricht. Die Nebenwirkung ist aber eine schleichende Vergiftung des demokratischen Diskurses. Das sollte bei jeder Berichterstattung über die AfD herausgearbeitet werden.“ Angesichts steigender Umfragewerte der Partei komme Journalistinnen und Journalisten eine besondere Verantwortung zu: „Wir müssen objektiv und kritisch über diese rechtsextreme Partei und ihre Vorhaben berichten, damit die Menschen verstehen, was diese Bewegung in Deutschland und Europa anrichten will.“

 

Warnung vor der „Überwältigungsstrategie“

Wie sollen Medien mit der rechtsextremen AfD umgehen? Ein Patentrezept gebe es nicht, sagt der Politikwissenschaftler Gideon Botsch im Interview mit „BR24 Medien“. „Man wird sich eingestehen müssen, dass es ein Dilemma ist“, so Botsch, Leiter der Emil Julius Gumbel Forschungsstelle Antisemitismus und Rechtsextremismus an der Universität Potsdam. „Nicht zu berichten ist keine Option. Deshalb ist es wichtig, die Mechanismen zu verstehen, mit denen die AfD die Öffentlichkeit manipuliert – ebenso wie auf Interviews gut vorbereitet zu sein.“

 

Die AfD setze regelmäßig auf eine „Überwältigungsstrategie“: In schneller Folge würden Journalisten Behauptungen und angebliche Fakten entgegengeschleudert. Besonders in Live-Interviews sei es nahezu unmöglich, darauf angemessen zu reagieren, so Botsch: „Ein Gesprächspartner, der Sie überwältigen will, wird Ihnen immer entgleiten, indem er auf andere Themen ausweicht und Sie mit Dingen konfrontiert, die Sie in dem Moment unmöglich wissen können.“

 

Reaktionen aus der Politik

Auch aus der Politik kommen Forderungen an die Sender: „ARD und ZDF haben während des Wahlkampfs häufig nicht mehr den Versuch unternommen, einen Unterschied zwischen rechtsextremen Feinden unserer Verfassung und den demokratischen Kandidaten zu machen“, sagt Andreas Audretsch, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen, der Zeitung „Tagesspiegel“. Audretsch, früherer Wahlkampfmanager der Grünen, stört sich daran, dass AfD-Kandidatin Alice Weidel wiederholt ihre Remigrations-Pläne „ausbuchstabieren“ durfte. Die Einschätzung des Verfassungsschutzes müsse nun Konsequenzen haben, so Audretsch: „Das sollte dem Weg der Normalisierung endlich ein Ende setzen und Anlass sein für eine kritische Reflexion – auch in den Redaktionen. Eine Gleichbehandlung darf es nicht geben.“

 

Helge Lindh, Kultur- und Medienpolitiker der SPD, will ARD und ZDF aus einem anderen Grund nicht in die Pflicht nehmen: „Der Bundespolitik steht es nicht zu, den staatsfernen öffentlich-rechtlichen Medien wie ARD und ZDF Vorgaben zu machen, wie sie ihre journalistische Arbeit zu leisten haben. Ihre Unabhängigkeit ist unhintergehbar“, sagte er dem „Tagesspiegel“. Zwar müssten ARD und ZDF weiterhin über die AfD berichten, doch auch Lindh sieht einen klaren Auftrag für die Sender. So müsse die Einstufung des Verfassungsschutzes Teil der Berichterstattung sein. „Die Einstufung ist ohne Zweifel auch ein Auftrag zur Sensibilisierung – und ein Denkanstoß, dass aus fachlichen und inhaltlichen Gründen eine ‚Normalisierung‘ der AfD nicht geboten ist.“

 

Positionierung von ARD und ZDF

Bei der ARD hält man an der Berichterstattung über die AfD fest: „Da kein Parteiverbot vorliegt, wird sie weiterhin im Rahmen der politischen Berichterstattung berücksichtigt“, sagte eine Sprecherin auf Anfrage der Zeitung „Tagesspiegel“. Einladungen in Talkshows würden die Redaktionen „eigenständig und im jeweiligen Einzelfall“ entscheiden. Man werde in der politischen Berichterstattung jedoch darauf hinweisen, dass die AfD nun als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird.

 

Ähnlich äußert sich ein Sprecher des ZDF: „Das ZDF hat die Einstufung der AfD durch das Bundesamt für Verfassungsschutz zur Kenntnis genommen.“ Eine kritische Auseinandersetzung mit der Partei sei daher weiterhin geboten. „Dennoch prüfen die ZDF-Redaktionen im Rahmen der publizistischen Verantwortung fortlaufend, in welcher Form Vertreterinnen und Vertreter der AfD im Programm zu Wort kommen.“