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Russische Justiz ordnet neue Ermittlungen im Fall Politkowskaja an

Am Vortag waren vier Angeklagte vor einem Moskauer Gericht freigesprochen worden. Die Staatsanwaltschaft legte daraufhin Berufung ein.

Moskau (AFP) - Nach dem Freispruch aller Angeklagten im Prozess um den Mord an der regierungskritischen Journalistin Anna Politkowskaja hat die russische Justiz eine Wiederaufnahme der Ermittlungen angeordnet. Das meldeten russische Nachrichtenagenturen am Freitag unter Berufung auf den Richter Jewgeni Subow. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte, jetzt müsse "ernsthaft und mit erhöhter Intensität" ermittelt werden.

Angesichts der Entscheidung der Geschworenen, alle vier Angeklagten freizusprechen, müsse jetzt mit dem Ziel ermittelt werden, die "in das Verbrechen verwickelten Personen zu finden", sagte Subow laut der Nachrichtenagentur Interfax. Die Staatsanwaltschaft hatte gegen die Freisprüche vom Vortag Berufung eingelegt. "Mit ihrem Freispruch haben die Geschworenen deutlich gemacht, dass sie die unzulängliche Arbeit der Staatsanwaltschaft nicht akzeptieren", erklärte der Russland-Experte von Amnesty International, Peter Franck. Die russischen Behörden müssen die Mörder von Politkowskaja und ihre Auftraggeber finden und zur Verantwortung bringen - "nicht zuletzt, um dem wachsenden Gefühl der Straflosigkeit für Verbrechen in der russischen Gesellschaft wirksam entgegen zu wirken". Der vorläufige Ausgang des Politkowskaja-Prozesses zeige, dass die Zweifel von Menschenrechtsorganisationen an den Möglichkeiten der russischen Strafverfolgungsbehörden, politische Morde aufzuklären, berechtigt seien.

Die Vorsitzende der russischen Nichtregierungsorganisation Bürgerhilfe, Swetlana Gannuschkina, sagte, sie wünsche sich sehr, dass der Mord an Politkowskaja aufgeklärt werde. Sie sei aber "sehr pessimistisch", was die Aussichten der Ermittlungen angehe und das "vom allerersten Tag an". Grund dafür seien die Krise des Justizwesens und das Verfahren bei Ermittlungen. Tatjana Lokschina vom russischen Zweig der Organisation Human Rights Watch zeigte sich empört, dass in dem in aller Welt verfolgten Fall nach langen Ermittlungen und einem Prozess "noch immer niemand bestraft" worden sei.

Bei den beiden freigesprochenen Hauptangeklagten handelte es sich um die tschetschenischen Brüder Ibrahim und Dschabrail Machmudow, die Politkowskaja beschattet und den mutmaßlichen Mörder zum Tatort gefahren haben sollen. Bei dem Todesschützen soll es sich um ihren Bruder Rustam Machmudow handeln, der in Westeuropa untergetaucht sein soll. Angeklagt waren auch ein früherer Polizist und ein ehemaliger Geheimdienstoffizier.

Politkowskaja war am 7. Oktober 2006 im Treppenhaus ihres Moskauer Wohnhauses erschossen worden. Die Journalistin gehörte zu den wenigen in Russland, die über den Feldzug der russischen Truppen in Tschetschenien kritisch berichtet und schwere Menschenrechtsverletzungen angeprangert hatten. Die Hintergründe des Mordes sind bis heute nicht geklärt. Frühere Kollegen vermuten, dass Politkowskajas Tod mit einem geplanten Artikel über Folter in Tschetschenien im Zusammenhang stand.