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Denkwürdiges „Nicht“-Interview mit Alice Weidel: ARD will Konsequenzen nach gestörtem Live-Gespräch ziehen

Denkwürdiges „Nicht“-Interview mit Alice Weidel: ARD will Konsequenzen nach gestörtem Live-Gespräch ziehen Nix verstanden (Foto: Liesa Johannssen/picturedesk.com)

Lauter Protest störte am Sonntag das live geführte ARD-„Sommerinterview“ mit AfD-Parteichefin Alice Weidel. Der Sender zog das in Teilen kaum zu verstehende Gespräch durch, kündigte jetzt aber Konsequenzen an.

Berlin (KNA) – Die Sommerinterviews von ARD und ZDF mit den Spitzenpolitikern des Landes gehören zur DNA des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Gestartet 1988 vom ZDF mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) am Wolfgangsee, wurde das Format von der ARD rasch übernommen und ist seitdem Tradition. Der Neuigkeitswert dieser Gespräche hält sich meist in Grenzen und oft mit der dargebotenen Langeweile die Waage. Kritiker monieren die „Majestätsfokussierung“, aber für die öffentlich-rechtlichen Sender sind diese Interviews Ausweis ihrer Wichtigkeit und Bedeutung.

 

Am Sonntag, 20. Juli, war es mit der üblichen Routine vorbei. Markus Preiß, Leiter des ARD-Hauptstadtstudios, hatte Alice Weidel, Vorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD), zu Gast. Schauplatz war wie üblich die zur Spree offene Freifläche des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses in Berlin.

Das Interview wurde live im Internet übertragen und lief später als Aufzeichnung im „Bericht aus Berlin“. Was anfangs weder Preiß noch Weidel bemerkten: Am anderen Spreeufer hatte sich eine Demonstrationsgruppe versammelt. Die eingesetzten Trillerpfeifen, Hupen und die laute Musik mit Anti-AfD-Slogans waren in der Übertragung deutlich zu hören. Als dann noch das „Zentrum für Politische Schönheit“ einen Lautsprecherwagen platzierte und den Slogan „Scheiß AfD“ im Chor propagierte, wurde es immer schwerer, das Gespräch zu verstehen. Die Polizei beendete schließlich die Aktion, Festnahmen gab es keine.

 

ARD schien überfordert

Die während des Protestes erkennbar überforderte und ratlose ARD kündigte anschließend Konsequenzen an. „Wir bedauern, dass das Interview durch die akustische Protestaktion teilweise schwer zu verstehen war. Ein ungestörter Ablauf der Interviews ist in unserem Interesse und vor allem im Interesse des Publikums, daher werden wir aus der Sendung Schlüsse ziehen und in Zukunft Vorkehrungen treffen“, teilte eine Sprecherin des ARD-Hauptstadtstudios mit. Bis zum Beginn der Sendung sei die Protestaktion nicht bekannt gewesen. Der Vorfall werde intern ausgewertet. Details der ARD-Konsequenzen wurden nicht bekannt.

 

Alice Weidel beklagte sich während des Open-Air-Interviews bei Markus Preiß, dass seine Fragen nicht zu verstehen seien. Die ARD versuchte zwischenzeitlich, dem Lärmpegel durch Anpassung der eigenen Tontechnik Herr zu werden, was die Probleme allerdings nicht löste. „Ich habe jetzt ein Echo auf dem Ohr, jetzt geht gar nichts mehr“, sagte Weidel nach zehn Minuten. Interviewte und Interviewer beugten sich immer mehr einander zu, um Fragen und Antworten zu verstehen. Preiß sprach in der „Tagesschau“ anschließend nur von „verschärften Bedingungen“.

 

In der AfD wird schon eine Wiederholung des ARD-„Sommerinterviews“ mit der Parteivorsitzenden gefordert. „In einer solchen Situation hätte die ARD für ein faires, ungestörtes Interview ins Studio ausweichen müssen“, sagte der Vize-Fraktionschef im Bundestag, Markus Frohnmaier, dem Nachrichtenportal Politico am Montag. „Ich erwarte, dass das Gespräch unter fairen Bedingungen wiederholt wird.“

 

Weidel kritisiert Debattenkultur

Weidel selbst kritisierte die Protestaktion vom Sonntag ebenfalls: „Es ist für die Debattenkultur in unserem Land nicht zuträglich, die Presse- und Informationsfreiheit derart anzugreifen. Dafür habe ich keinerlei Verständnis“, sagte sie dem Portal. „Die AfD und meine Person werden sich von solchen demokratiefeindlichen Aktionen nicht einschüchtern lassen.“

 

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann zeigte kein Verständnis für die Störung des Interviews. „Wenn man die AfD starkmachen will, soll man ruhig solche Interviews stören“, sagte Linnemann in der RTL/ntv-Sendung „Frühstart“. Man könne den Wähler nicht ignorieren und „kaputtschreien“, sondern müsse die AfD inhaltlich bekämpfen.

 

Im Netz empörte sich das AfD-Lager nicht nur über die Demonstranten, sondern auch über die ARD. Der Rundfunkbeitrag gehöre gestrichen, war meistenteils im Shitstorm zu lesen. Natürlich fehlten auch die Verschwörungstheorien nicht. Wahrscheinlich habe der Sender den Lärm genauso gewollt oder gar inszeniert, hieß es. Manche AfD-Anhänger vermuteten, die ARD habe am gegenüberliegenden Spreeufer Mikrofone installiert, um deren Tonspuren über das Interview zu legen. Alice Weidel insinuierte, die Proteste seien womöglich „mit Steuergeldern angeschoben worden“.

 

Tatsächlich stellt sich die Frage, warum die ARD auf die „Tonstörung“ nicht reagiert und das Interview nicht abgebrochen hat, um es in das wenige hundert Meter vom Lüders-Haus entfernte Hauptstadtstudio zu verlegen. An der Zeit bis zur Ausstrahlung im „Bericht aus Berlin“ um 18 Uhr im Ersten kann es nicht gelegen haben.

 

Noch sind die kompletten Konsequenzen aus dem Desaster nicht bekannt, da ist eines schon klar: Am 10. August ist der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla zu Gast beim ZDF-„Sommerinterview“. Der Sender ließ eine Anfrage bislang unbeantwortet, wo und unter welchen Bedingungen das Gespräch mit Wulf Schmiese für „Berlin direkt“ stattfinden soll.