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stern.de neu: Welche Marktlücke Gregor Peter Schmitz für Stern+ sieht

stern.de neu: Welche Marktlücke Gregor Peter Schmitz für Stern+ sieht „Stern“-Chef Gregor Peter Schmitz (Foto: RTL/Hendrik Lueders)

­Mit Sahra Wagenknecht als Aufmacher und opulenten Bildern ist der „Stern“ digital neu gestartet. Der „Stern“-Chef spricht im Interview auch über die wichtigsten Erkenntnisse der Marktforschung und warum Leser ein Abo abschließen sollten.

Hamburg – Gregor Peter Schmitz spricht im „kress pro“-Interview mit Henning Kornfeld auch über die Positionierung und die Widerstände in den Redaktionen, die der Strategie-Schwenk ausgelöst habe. Zudem sagt er, was er in den zweieinhalb Jahren als „Stern“-Chef am meisten unterschätzt hat. 

 

Sie haben den Relaunch von Stern+ als eines der ambitioniertesten Projekte im deutschen Journalismus angekündigt. Was ist so ehrgeizig an einem Vorhaben, mit dem Sie nur dahin kommen wollen, wo Wettbewerber wie „Spiegel“ und „Zeit“ schon längst sind?

Gregor Peter Schmitz: Unser Relaunch ist wegen des radikalen Strategiewechsels weg von einem überwiegend reichweitenorientierten Digitalangebot ein besonderes Projekt. Wir haben klar identifiziert, dass wir eine große Lücke bei Paid Content haben. Während wir zuletzt nur einen Umsatz im niedrigen einstelligen Millionenbereich pro Jahr machten, schaffen Mitbewerber bereits weit über 30 Millionen pro Jahr. Wir beginnen nun zwar spät, gehen dafür aber mit voller Kraft ebenfalls in diese Richtung. Da wollen wir als großes nationales Medienhaus ebenfalls hin, und das sehr schnell. Auch die Markenintegration, die wir planen, hat es in dieser Größenordnung noch nicht gegeben. Zu unserem Produkt werden „Stern“-, „Geo“- und „Capital“-Inhalte sowie, dank der Kombination mit RTL News, auch ein großer Bewegtbild- und Audiobereich gehören.

 

Das Paid-Content-Angebot Stern+ gibt es schon seit fünf Jahren. Warum war es nicht erfolgreich?

Wenn man ein gutes Paid-Angebot machen will, muss man alle Abläufe in der Redaktion umbauen und auch den Verlag komplett auf das Ziel der Abo-Gewinnung umstellen. Ebenso auch das Produkt. Ein hoher Anteil der Nutzerinnen und Nutzer von stern.de sind aktuell noch Flybys, sie kommen über Google, soziale Netzwerke oder andere externe Websites. Wir stehen vor der großen Herausforderung, sie zu regelmäßigen Lesern zu machen. Anders als in der Vergangenheit gibt es jetzt ein Investment sowie eine klare Strategie, die uns das ermöglicht. Wir haben dafür allein in der Redaktion mehr als 40 und im Publishing-Bereich 60 neue Mitarbeiter eingestellt, so dass wir eine Personalstärke von insgesamt rund 350 Menschen erreichen. Eine solche Größenordnung braucht man, wenn man es ernst meint.

 

Bis Ende 2026 wollen Sie das Ziel von 100.000 Abonnenten schaffen. Angesichts der hohen Investitionssumme von 30 Millionen Euro wirkt das fast bescheiden.

Wir finanzieren das Investment auch aus uns selbst heraus, „Stern“, „Geo“ und „Capital“ verdienen ja in jedem Jahr Geld. Unsere Business-Pläne für die Jahre nach 2026 sehen natürlich Umsätze vor, die sich eher an denen der anderen Häuser orientieren. Wir haben uns aber erst einmal das wichtige Ziel von 100.000 gesetzt, um im Paid-Content-Bereich überhaupt mitspielen zu können. Unser Ausgangspunkt dafür sind die derzeit etwa 25.000 Abonnenten von Stern+, Geo+ und Capital+.

 

Der Relaunch von Stern+ sollte eigentlich früher stattfinden. Sie selbst haben zunächst das erste Halbjahr 2024 als Termin genannt. Ist da etwas schiefgelaufen?

Die Berichte, wonach wir bereits 2023 fertig sein wollten, stimmen so nicht. Das wäre schon allein deswegen unmöglich gewesen, weil die finale strategische Entscheidung für das Investment erst im Laufe des vergangenen Jahres gefallen ist. Richtig ist: Je mehr wir uns mit dem Projekt beschäftigt haben, desto klarer wurde, dass wir eine ganz neue technische Infrastruktur sowie eine entsprechende Produkt- und Vertriebsorganisation brauchen. Gemessen daran sind wir sehr schnell. Wir liegen voll im Zeit- und Budgetplan unseres Business-Cases, wonach der Relaunch im Laufe 2024 kommt und wir 2025 und 2026 unser Abo-Geschäft hochfahren.

 

Was ändern Sie an der technischen Infrastruktur?

Einen Schritt haben wir bereits im Juli umgesetzt: den Umbau des Check-out-Prozesses. Wir sind zu Plenigo gewechselt und sehen schon jetzt, dass wir sowohl bei den Konvertierungen als auch bei der Kundenansprache deutlich stärker geworden sind. In der Woche ab dem 28. Oktober launchen wir stern.de und die neue Stern-App in einer ersten Version, die dann stetig weiter optimiert werden. Zum Jahresende wollen wir die technische Paywall durch eine neue KI-basierte Lösung austauschen. Wir haben nun auch eine eigene CMS-Infrastruktur für unsere Titel. Zuvor wurde die mit den anderen Titeln von Gruner + Jahr geteilt, was die effektive Entwicklung für den „Stern“ und die anderen Marken schwieriger machte.

 

Zur Vorbereitung des Relaunches haben Sie Marktforschung gemacht. Was war die wichtigste Erkenntnis?

Wir wollten wissen, ob der Markt für Paid Content bereits gesättigt ist. Die klare Antwort darauf ist: Nein. In Deutschland gibt es etwa 40 Millionen Haushalte und davon haben nur rund zwei Millionen bislang ein Digitalabo einer nationalen journalistischen Medienmarke. Unser Fokus ist daher eine Markterweiterung, wir wollen auch diejenigen ansprechen, die bisher bei keinem der schon etablierten nationalen Titel angekommen sind.

 

Warum sollen diese Leute ausgerechnet Stern+ abonnieren?

Die Marktforschung hat klar gespiegelt, dass es aufgrund seiner Positionierung eine Lücke für den „Stern“ gibt: Er ist die einzige Marke, die die Wünsche nach ernsthafter, seriöser Information und spielerischem Eskapismus zugleich bedient. Der „Stern“ bietet mit Ratgeber-Themen aber auch einen Mehrwert im Alltag. Die Menschen haben das Gefühl, dass der „Stern“ nah dran ist, auch durchaus emotional an Themen herangehen kann und gleichzeitig einen Ort bietet, wo gesellschaftliche Debatten möglich sind und viele Meinungen zu Wort kommen. Es kommt etwa gut an, dass die großen „Stern“-Gespräche zwar sehr kontrovers und hart geführt sein können, die Atmosphäre aber so ist, dass man sich am Ende noch die Hand geben kann.

 

Zum ganzen Interview


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