Vermischtes
dpa – Christiane Oelrich

Steuergeld für Medien: Rettungsleine oder Gift für die Demokratie?

Sind Nachrichten Ware wie Zement oder Gemüse und sollten Medien sich wie andere Branchen im freien Wettbewerb durchbeißen? Oder dient die Information der Bevölkerung einem höheren Zweck und sollte staatlich gefördert werden? Darüber entscheiden die Schweizer am Sonntag.

Bern (dpa) − Für die einen ist das, was die Schweizer Regierung plant, der Untergang der Demokratie, für die anderen geradezu die Rettung: Es geht um Staatsgelder für die Medien, die mit Anzeigen- und Abonnentenschwund teils ums Überleben kämpfen. Am Sonntag wird darüber abgestimmt. Das Ergebnis steht nach jüngsten Umfragen auf Messers Schneide.


Die Gegner der Medienförderung machen kräftig Wind: „Keine Steuermilliarden für Medienmillionäre“ steht auf ihren Plakaten, und: „Das ist Gift für unsere Demokratie.“

 

Auf ihrer Seite stehen die Gegner der Corona-Maßnahmen, die geholfen haben, die Unterschriften zu sammeln, mit der die Volksabstimmung erzwungen wurde. Der Präsident des Vereins „Mediengesetz Nein“, der Medienunternehmer Peter Weigelt, hat kein Problem damit, wie er in einer Fernsehdebatte sagte. Anders Andrea Masüger vom Präsidium des Verlegerverbandes: Diese Leute wollten die Medien schwächen, damit ihre Verschwörungstheorien nicht hinterfragt werden, meinte er. „Ihr müsst sehen, mit wem ihr euch da ins Bett legt“, sagte er zu Weigelt.

 

Kommunikationsministerin Simonetta Sommaruga will den Medien unter die Arme greifen, weil dies ein wichtiger Beitrag zur Demokratie sei. Wählerinnen und Wähler hätten ein Recht darauf, gut informiert zu sein, vor allem im lokalen Umfeld mit Redaktionen vor Ort.

 

Das Medienpaket umfasst 151 Millionen Franken (143 Millionen Euro) pro Jahr für sieben Jahre. Mit dem Großteil sollen die frühmorgendliche Auslieferung von Printmedien und die Zusendung subventioniert werden. Erstmals sollen aber auch Online-Medien direkt Geld bekommen.

 

Auch in Deutschland ist eine staatliche Millionenförderung für Pressehäuser im Gespräch. Auch hier fordern Zeitungsverleger Unterstützung bei der Zustellung. Bislang ist auf Presseprodukte nur die Mehrwertsteuer reduziert, sieben statt 19 Prozent. Seit 2020 gilt dies auch für E-Paper, also Printmedien ohne Papierausgabe.

 

In der Schweiz ist die Unterstützung verglichen damit schon üppig. 440 Millionen Franken seien es im Jahr, schätzt die Stiftung Avenir Suisse. Die Zustellung wird teils schon subventioniert, dazu kommen ein Mehrwertsteuernachlass und die regionale Förderung kleiner Sender und Zeitungen. Zusätzlich bekommt die Schweizer Radio- und Fernsehgesellschaft SRG im Jahr 1,2 Milliarden Franken. Sie wird − wie in Deutschland der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk − durch einen Rundfunkbeitrag aller Haushalte finanziert.

 

Mit „Medienmillionäre“ ist zum Beispiel Pietro Supino gemeint, der Chef des größten Schweizer Medienkonzerns TX Group, dessen Kopf auch auf den Wahlplakaten der Medienpaket-Gegner auftaucht. Zur TX-Group gehört die Tamedia-Gruppe mit dem Flaggschiff „Tages-Anzeiger“ und anderen Zeitungen und Zeitschriften.

 

Tamedia würde bei Annahme des Pakets Unterstützung für die Auslieferung der Zeitungen bekommen, obwohl die TX Group Gewinne macht. 2020 waren es 130,9 Millionen Franken. Gewinne lieferten aber die digitalen Marktplätze der TX Group, etwa für Immobilien, sagte Supino dem Online-Magazin Republik. „Das Unternehmen Tamedia, in dem wir das Geschäft mit der bezahlten Publizistik gebündelt haben, leidet stark.“ Er ist für das Paket.

 

249 Zeitungstitel existierten nach Angaben der Branchenorganisation Schweizer Medien 2021 in der Schweiz, mit einer Auflage von fast 4,76 Millionen Exemplaren. In Deutschland, das fast zehn mal so viele Einwohner hat, waren es nach Angaben des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) 338 Zeitungen mit einer Auflage von knapp 15,2 Millionen. In beiden Ländern haben viele Titel denselben Mantelteil mit eigenen Lokalausgaben.

 

Die Befürworter des Medienpakets sagen, das meiste Geld käme kleinen Verlagen zugute, die besonders ums Überleben kämpften. Der Nettowerbeumsatz bei Printmedien sank nach Angaben von Avenir Suisse von 2003 bis 2020 um 60 Prozent. „Das Medienpaket unterstützt eine demokratierelevante Branche, die sogenannte vierte Gewalt, die so nicht mit anderen Branchen vergleichbar ist“, schreibt Josef Dittli, Politiker der liberalen FDP, in der „Neuen Zürcher Zeitung“. Medien seien für „die Demokratie von unersetzlichem Wert.“