Vermischtes
Newsroom

Still und leise: Die WamS ohne Chefredakteur

Still und leise: Die WamS ohne Chefredakteur Jacques Schuster (Foto: Welt)

Jacques Schuster hat die Verantwortung für das Blatt übernommen. Den entsprechenden Titel jedoch bekommt er nicht. „kress pro“ über den fortschreitenden konzerninternen Bedeutungsverlust der Welt-Gruppe.

Berlin – Oft ist ja in Pressemitteilungen das Ungesagte am spannendsten, schreibt Markus Wiegand im neuen „kress pro“ und weiter: So verhielt es sich auch Ende April, als Axel Springer einen Wechsel an der Spitze der „Welt am Sonntag“ verkündete: „Dr. Jacques Schuster übernimmt vom 1. Mai 2024 an die redaktionelle Verantwortung für die überregionale Zeitung ,Welt am Sonntag‘ und wird Mitglied der Chefredaktion der Welt-Gruppe.“

 

Ungesagt blieb dabei, dass er anders als seine Vorgängerin Dagmar Rosenfeld nicht den Titel Chefredakteur trägt. Man mag das als Petitesse abtun. Allerdings hat das Blatt damit erstmals in seiner 76-jährigen Geschichte keinen eigenen Schriftleiter an der Spitze. Alle 14 Vorgänger (mit so klangvollen Namen wie Claus Jacobi) waren selbstverständlich Chefredakteur des publizistischen Flaggschiffs.

 

Axel Springer teilt dazu auf Anfrage mit: „Wir arbeiten bei ,Welt‘ in einem integrierten Newsroom und finden dies heute die zeitgemäßere und schlankere Struktur.“ Auch im eigenen Haus sieht mancher den fehlenden Titel „Chefredakteur“ als Zeichen eines Bedeutungsverlusts der Welt-Gruppe insgesamt. Die Strategie von Axel Springer setzt auf den englischsprachigen Weltmarkt. Da passen die heimischen Marken nur noch bedingt ins Konzept. So knüpfte Finanzinvestor KKR beim Einstieg 2019 in den Angebotsunterlagen den Fortbestand der „Welt“ und „Welt am Sonntag“ an wirtschaftliche Bedingungen. Anders als zuvor mochte KKR die Defizite der „Welt“-Titel wohl wenigstens einschränken.

 

Zumindest publizistisch hielt Springer aber noch im gleichen Jahr dagegen und berief mit Johannes Boie einen jungen Chefredakteur an die Spitze. Als er nach dem Reichelt-Desaster zu „Bild“ wechselte, übernahm mit Dagmar Rosenfeld erstmals eine Frau das Blatt. Beide hatten den Ehrgeiz, Debatten zu prägen und die Marke mit ihren Haltungen als Person nach außen zu tragen. Rosenfeld wechselte nach nur zwei Jahren im Amt als Herausgeberin zu Steingarts Media Pioneer. Was auch damit zu tun hat, dass die Zusammenarbeit mit Ulf Poschardt, Chefredakteur der Welt-Gruppe, nicht gerade reibungslos funktionierte, bestätigen mehrere interne Quellen.

 

Mit Jacques Schuster, 59, hat jetzt ein gestandener Journalist und Außenpolitik-Kenner die Verantwortung übernommen. Er war zuvor Co-Ressortleiter Politik und Chefkommentator. Ein Zeichen des Aufbruchs ist das nicht. Zumal Ulf Poschardt in der Pressemitteilung festhielt: „Er steht für unser Konzept einer integrierten Redaktion“.

 

Wirtschaftlich sollen die „Welt“-Titel deutlich defizitär sein. Axel Springer mochte dazu keine Stellung nehmen. Zumindest darf man aber festhalten, dass der Druck im Markt nicht nachlässt. Zuletzt meldete die WamS nach dem Rückzug aus dem Sonntagsmarkt noch eine hart verkaufte Auflage (IVW 1/24) von rund 164.000 Exemplaren (Abo: 135.000; Einzelverkauf: 29.000). Vor zwei Jahren waren es noch rund 228.000 (Abo: 121.000; Einzelverkauf: 108.000). Dazu kommen noch 224.000 digitale Welt-Plus-Abos der gesamten Welt-Gruppe. Allerdings: Nur rund die Hälfte der Plus-Abos bringt einen Preis von mehr als 7 Euro pro Monat. Zudem sank die Zahl dieser gut bezahlten Abos im vergangenen Jahr (von März 23 zu März 24) leicht.

 

Die Aufgabe für Jacques Schuster und Co. wird nicht einfacher.

 

Die Top-Themen im aktuellen „kress pro“

  • Lernen von den Profis: Was Berater Sascha Bossen, Ex-Paid-Content-Chef der „Zeit“, gegen stagnierende Umsätze empfiehlt.
  • Auf welche Dienstleister die Medienhäuser setzen: Die wichtigsten Redaktionssysteme 2024.
  • Innovationsreport 2024: KI-Trends aus den USA.
  • „Süddeutsche Zeitung“: Woran die Gesellschafter im Hintergrund arbeiten.