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Newsroom – Inge König

Thomas Sigmund verteidigt die Boomer

Thomas Sigmund verteidigt die Boomer Thomas Sigmund (Foto: Handelsblatt)

Der Meinungschef des „Handelsblatt“ hat sich mit seinem Kommentar in die Nesseln gesetzt.

Düsseldorf – „Ich habe selten so viele erboste Zuschriften für einen Kommentar bekommen“, schreibt Thomas Sigmund auf Linkedin. Der Jurist ist seit einem Jahr Meinungschef des „Handelsblatts“, für das er seit 24 Jahren schreibt.

 

In seinem Kommentar ging es um den Boomer-Soli. Er setzte sich mit einer seiner Meinung nach abwegigen Begründung auseinander, „ denn manche Ökonomen haben offenbar den Sinn für Ursachen und Wirkungen verloren. Da fordert doch Monika Schnitzer, die Vorsitzende des Sachverständigenrats, einen Boomer-Soli, weil in den 70er-Jahren – man höre und staune – zu wenig Kinder geboren wurden.

Die Boomer seien es doch, „die einen Teil des Generationenvertrags nicht eingehalten haben. Sie haben zu wenige Kinder bekommen, die für ihre eigenen Renten hätten aufkommen können“, sagt Schnitzer.

Die Babyboomer, lautet das verkürzte Narrativ, hätten sich aus Bequemlichkeit gegen das Vater- und Muttersein entschieden und damit heute die Fachkräftelücke zu verantworten. Wer braucht schon Demografie, wenn man Schuldzuweisungen recyceln kann?

Fangen wir bei den Fakten an: Die Geburtenrate fiel in den 70ern nicht, weil Boomer plötzlich kollektiv egoistisch wurden. Sie fiel, weil sich gesellschaftliche Realitäten änderten – es begann der Siegeszug der Antibabypille, es gab neue Bildungs- und Berufschancen für Frauen, die Wohnkosten stiegen und die damalige Familienfreundlichkeit der Industrie ist mit der heutigen nicht zu vergleichen. Wer hier meint, mit dem moralischen Holzhammer den Generationenvertrag zu kitten, verwechselt Gesellschaftsanalyse und berechtigte Schuldzuweisungen.

Ein Boomer-Soli – ernsthaft? Ein Soli für eine Generation, aus der viele keinen leichten Berufseinstieg hatten, die das System mitgetragen und Leistungsausweitungen ermöglicht hat?

Ihr nun, wie es auch DIW-Chef Marcel Fratzscher versucht, den Schwarzen Peter zuzuschieben, ist ein Ablenkungsmanöver, stellt aber weder ein nachhaltiges noch ein überzeugendes Finanzierungskonzept zur Sicherung des Rentensystems dar.

Kurzum: Wenn der Arbeitsmarkt heute Fachkräfte sucht, dann ist das kein Problem des Verhaltens der Boomer von vor 50 Jahren. Sondern ein Versagen aktueller Politik bei Bildung, Zuwanderung und Digitalisierung.“