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Newsroom – Rupert Sommer

Was der Zeit-Verlag alles mit dem neuen Online-Print-Ressort Familie vorhat

Was der Zeit-Verlag alles mit dem neuen Online-Print-Ressort Familie vorhat Carla Baum und Tillmann Prüfer (Foto: Zeit/Michael Pfister/Moritz Küstner)

Weiter auf Expansionskurs: Der Zeit-Verlag unter Geschäftsführer Rainer Esser bringt ein neues „Familien“-Ressort für „Zeit“ und Zeit Online an den Start – mit insgesamt sieben Redakteurinnen und Redakteuren. Die Leitung haben Carla Baum und Tillmann Prüfer übernommen. Im Interview verraten sie, welche Schwerpunkte sie setzen – und nach wem sie sich richten müssen.

Hamburg – Von Themen wie Care-Arbeit, den Rechten von Eltern und Kindern oder der Bedeutung der sozialen Herkunft für Chancengleichheit: Das neue Ressort unter Leitung von Carla Baum und Tillmann Prüfer lässt ab sofort Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Psychologie, Soziologie, Medizin und anderen Disziplinen zu Wort kommen. Das neue Angebot findet sich täglich auf Zeit Online. Im Interview für kress.de verraten Carla Baum und Tillmann Prüfer, welche Schwerpunkte sie setzen – und nach wem sie sich richten müssen.

 

Frau Baum, Herr Prüfer, Ihr Haus hat eine schöne Tradition, immer wieder neue Ressorts einzuführen. Trotzdem: Ab wann wird es unübersichtlich, wann ist die Bandbreite voll ausgereizt?
Tillman Prüfer: Für uns ist „Ressort“ ein schönes, altes Wort für etwas Neues, was wir ausprobieren. Wir haben in den vergangenen Jahren festgestellt, dass unsere Leserinnen und Leser ein riesiges Interesse an Familienthemen haben. Und es hat bei Zeit Online und der gedruckten "Zeit" auch schon vorher Menschen gegeben, die an Familienthemen gearbeitet haben. Sie waren allerdings auf verschiedene Ressorts verstreut. Jetzt haben wir diese Leute zusammengeholt, um einem Thema, das uns besonders wichtig ist, die Geltung zu verleihen, die es verdient.
 
Wie wird sich das neue Ressort bei der gedruckten „Zeit“, wo und wie bei Zeit Online einsortieren und wie grenzen Sie sich zu benachbarten Ressorts ab?
Carla Baum: Das Familienressort ist teilweise aus den Magazinen von Zeit Online hervorgegangen und hat deshalb einen starken Anker in lebensweltlichen, persönlichen und groß erzählten Geschichten. Ebenso wichtig ist uns aber auch der Blick auf Familienpolitik und Wissenschaft. Das zeigt sich unter anderem darin, dass unsere Texte in der gedruckten "Zeit" vor allem im Ressort Wissen erscheinen werden. Eine klare Abgrenzung des Ressorts kann und muss es aber gar nicht geben: Natürlich erscheinen auch in anderen Ressorts Texte, in denen Mütter, Väter und Kinder vorkommen, und ebenso schreiben wir auch über politische Debatten oder gesellschaftliche Ereignisse.  
 
Dass es ein Familien-Ressort mit entsprechenden Themen geben würde, gab Ihr Haus schon im Frühjahr bekannt. Warum hat es nun doch ein wenig gedauert bis zum offiziellen Start?
Prüfer: Wir sind das erste Familienressort, das von einem großen deutschsprachigen Publikumsmedium gegründet wird, noch dazu als Online-Print-Kooperation. Wir wollten erst mal testen, welche Themenmischung für uns am besten passt, wie der Workflow und die Abstimmung mit den anderen Ressorts funktioniert. Dazu kam die Frage der Optik. Wie bebildern wir Familienthemen, ohne immer Mama, Papa, Kind wie in einer Frischkäse-Werbung zu zeigen? Wir glauben, es war gut, dass wir uns ein bisschen vorbereitet haben.

 

Welche Schwerpunkte setzen Sie inhaltlich?

Baum: Wir verstehen Familie nicht nur als die klassische Kleinfamilie, sondern als jede Form des Zusammenlebens, in der Menschen Verantwortung füreinander übernehmen. Wir wollen neben Kindererziehung in Zukunft auch gern stärker darauf schauen, was Familie in der zweiten Lebenshälfte oder außerhalb von Erziehungsfragen bedeutet. Außerdem richten wir ein besonderes Augenmerk auf das, was viele Eltern in Deutschland zurzeit beschäftigt: die Betreuungs- und Bildungskrise und wie sie sich aufs Familienleben auswirkt.  

Prüfer: Familie geht ja nicht nur Eltern mit kleinen Kindern an. Jeder Mensch hat Verwandte und Familienbeziehungen, die einen lange Strecken des Lebens begleiten. Nichts geht uns beispielsweise so nahe, als wenn wir uns mit unseren Eltern und Geschwistern zerstreiten. Das sind Themen, die uns sehr interessieren. Als Querschnittsressort begleiten wir den Familienalltag, geben Lebenshilfe, berichten über neue Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie und widmen uns besonders auch der Familienpolitik. Da hat es in den vergangenen Jahren von der gescheiterten Kindergrundsicherung bis zur verschleppten Familienstartzeit die größten Fehlleistungen gegeben. Das wäre vielleicht anders gewesen, hätte es mehr Öffentlichkeit für diese Themen gegeben. Deshalb wird es höchste Zeit, dass ein großes deutsches Medium ein Familienressort gründet.

 

Welche Themen sind eher für die gedruckte Zeitung, welche eher für den Online-Einsatz geplant?

Prüfer: Bei der "Zeit" und Zeit Online werden Themen schon länger in enger Abstimmung geplant. Wir reden ständig mit anderen Ressorts über Themen mit Familienbezug, und wenn es Interesse gibt, dann erscheint das Thema zuerst in der Zeitung. Typischerweise ist das bei exklusiven Studien, größeren Interviews und umfassenderen Magazin-Themen der Fall.

 

Wie organisieren Redaktionen die Planungen konkret: Welche der beiden Chefredaktionen müssen sie jeweils zuerst für Ihre Vorschläge gewinnen?

Baum: Glücklicherweise vertrauen uns beide Chefredaktionen gleichermaßen, was die Themensetzung unseres Ressorts angeht. Unsere Themen planen wir als Ressort autonom, sind aber natürlich im regelmäßigen Austausch mit den Chefredaktionen.  

 

Was sieht der Redaktionsplan vor: Mit welcher Regelmäßigkeit sollen neue Themen zur Auffrischung dazukommen?

Prüfer: Als Familienressort machen wir unseren Leserinnen und Lesern täglich ein Angebot auf Zeit Online und veröffentlichen in der Printausgabe in anderen Ressorts, etwa dem Wissen-Teil und dem "Zeit Magazin". Regelmäßig bestreiten wir auch das Titelthema der gedruckten "Zeit".

 

Welche Chancen bietet das neue Ressort für Beiträge von freien Kollegen: Mit welchen Reizworten sind sie am schnellsten zu ködern?
Baum: Es geht uns weniger um Reizworte, sondern eher um besondere Geschichten und Zugänge. Das Schöne an Familienthemen ist ja: Sie kommen von überall. Hier berichtet ein Freund über eine Familienfeier am Wochenende, dort erzählt eine Kollegin von einem Erlebnis mit ihrem Kind – und schon ist wieder eine Idee für einen Text entstanden. Diese dann originell, witzig oder erkenntnisbringend aufzuschreiben, ist der Anspruch, dem wir uns täglich stellen und mit dem wir auch auf Geschichten von freien Autorinnen und Autoren schauen.