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Bertelsmann: Gunter Thielen wird 70 - Rückzug auf Raten

Mehr als drei Jahrzehnte hat Medienmanager Gunter Thielen in der Bertelsmann-Welt gelebt. "Ich habe so ziemlich alle Positionen mal bekleidet." In diesem Monat beginnt Thielens Rückzug auf Raten. Er wird 70. Und arbeitet woanders weiter.

Gütersloh - Der Aufstieg von Gunter Thielen zu einem der mächtigsten Medienmanager der Welt war ein Tabubruch. Thielen war schon fast 60, als Bertelsmann-Patriarch Reinhard Mohn ihn zum Vorstandschef krönte. Es war eine Nacht-und-Nebel-Aktion.

Bis zu diesem Zeitpunkt vor zehn Jahren hatte der 60. Geburtstag für alle Bertelsmann-Manager unweigerlich den Ruhestand bedeutet. Aber Thielen wurde gebraucht, dringend.

Der Druckmanager nahm die Aufgabe an und stellte wichtige Weichen, erst als Konzernchef, später als Aufsichtsratschef und Vorsitzender der Bertelsmann Stiftung. Am kommenden Samstag, 4. August, wird Thielen 70 Jahre alt und zieht sich von der Spitze der Stiftung zurück. Den Aufsichtsratsvorsitz bei Bertelsmann gibt er dann voraussichtlich zum Jahresende ab.

"Ich war die Allzweckwaffe und habe so ziemlich alle Positionen bei Bertelsmann mal bekleidet", flachst er. Gestresst wirkt Thielen nicht. "Ich war gerade beim Arzt und der sagt: Ich bin fit wie mit 50."

Der gebürtige Saarländer lenkte den Konzern in ruhige Bahnen und stellte ihn bis 2007 neu auf. Der Ingenieur, der in der Drucksparte zu Bertelsmann gekommen war, verdreifachte die Umsatzrendite.

Er stockte den Anteil an der wichtigen Fernsehtochter RTL Group noch einmal massiv auf. Heute ist dieses Geschäft die wichtigste Gewinnquelle. Zuvor hatte Thielen bereits die Drucksparte Arvato neu organisiert und Dienstleistungen in den Vordergrund gerückt. "Wir haben daraus einen Unternehmensbereich mit großem Wachstumspotenzial gebaut."

Thielen ist der Mann, dem die Mohns vertrauen. Sein Vorgänger Thomas Middelhoff hatte von einem Börsengang unter der Regie des damaligen Bertelsmann-Partners GBL geschwärmt und war dafür schließlich vom Hof gejagt worden.

Thielen übernahm und hielt sich an die Vorgaben der Eigentümerfamilie. Er manövrierte Europas größten Medienkonzern durch finanzielle Engpässe, auch wenn das teilweise schmerzhafte Firmenverkäufe bedeutete, um die Ratings zu halten.

Das Thema Rating, also die Beurteilung der Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Staaten, griff Thielen Jahre später aus ganz anderer Perspektive auf. Als Vorsitzender der mächtigen Bertelsmann Stiftung heizte er jetzt Moody's und Co mit der Idee einer unabhängigen Ratingagentur zur Beurteilung von Staaten ein.

Seit 2008 war Thielen Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung, der umstrittenen Denkfabrik für eine bessere Welt. Als Mehrheitsgesellschafterin des Konzerns verfügt die Stiftung über einen Jahresetat von rund 60 Millionen Euro. Die "Allzweckwaffe" Thielen krempelte die Stiftung um. "Früher hatten wir 250 Projekte, heute noch 50, aber dafür größere", sagt Thielen nicht ohne Stolz.

Ob die Milliarde Euro, die die Stiftung seit ihrer Gründung 1977 für Studien und Projekte ausgegeben hat, gut angelegtes Geld ist? "Das kann wohl niemand auf Heller und Pfennig errechnen, leider", sagt Thielen: "Aber die Sozialrendite ist sehr, sehr hoch." Wenn zum Beispiel die Lösungsvorschläge dazu beitragen, dass Jugendliche eine bessere Bildung bekommen.

So will Thielen auch weitermachen. Er wird die Stiftung seines verstorbenen Freundes Walter Blüchert leiten, die jedes Jahr mit einem Millionen-Etat soziale Projekte fördern wird, zunächst vor allem für Jugendliche.

Außerdem will Thielen weiterhin unternehmerisch arbeiten. "Ich bin durch und durch Unternehmer ", sagt er, verrät aber nicht, in welche Firmen er einsteigen will. Seinen Geburtstag wird er in Frankreich feiern. Dort hat der bekennende Frankophile bei St. Tropez ein Haus. Thielen, der am liebsten Rosé trinkt, hat den Traum, einen Weinberg zu kaufen. "Wichtig ist, dass man in jedem Lebensalter noch Träume und Ziele hat. Sonst ist man echt alt."

Matthias Benirschke, Christof Bock