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Melanie Bergermann: „Ich lasse mir von Spinnern keine Angst machen“

„Wirtschaftswoche“-Reporterin Melanie Bergermann ist die „Wirtschaftsjournalistin des Jahres“. Für ihre investigativen Geschichten recherchiert sie über dubiose Unternehmen.

Berlin - Die Journaistin ist selbst ins Visier mysteriöser Unbekannter geraten, die sie bedrohen. Katy Walter hat für den „Wirtschaftsjournalisten“ mit ihr gesprochen. Ein Auszug.

Frau Bergermann, wir haben ein schwieriges Gespräch vor uns. Mit der S&K-Geschichte haben Sie womöglich den schillerndsten Anlagebetrug seit Jahren aufgedeckt. Reden wollen Sie am liebsten nicht darüber. Können wir es trotzdem versuchen?

 

Melanie Bergermann, Reporterin bei der "Wirtschaftwoche", ist "Wirtschaftsjournalistin des Jahres". Bei der fünften Auflage der Wahl zum "Wirtschaftsjournalist des Jahres" setzte sich damit zum ersten Mal eine Frau durch. Das Interview gibt es in voller Länge in unserem Schwesterblatt "WIRTSCHAFTSJOURNALIST". Hier bestellen.

 

Melanie Bergermann: Versuchen wir’s. An einigen Punkten werde ich Ihnen aber Antworten schuldig bleiben.

Sie haben gerade den Holtzbrinck-Preis gewonnen, nun sind Sie auch noch Wirtschaftsjournalistin des Jahres geworden. Vor einigen Wochen wollten Ihnen Kriminelle noch Angst machen und zielten mit einem Laserpointer auf Ihre Brust. Die Polizei kennt diese Art der Einschüchterung aus dem organisierten Verbrechen. Hand aufs Herz: Haben sich Ihre Recherchen über dubiose Anlagebetrüger für Sie gelohnt?

Melanie Bergermann (überlegt lange): … Für mich persönlich sicherlich nicht, denn ich hatte ja nur Nachteile dadurch. Mein Berufsverständnis ist aber, dass wir für Aufklärung sorgen müssen. Und da können wir nicht nur bei denen voll reinhauen, die lieb zu uns sind. Wir müssen gerade die kritisieren, die versuchen uns einzuschüchtern. Darum würde ich meine Recherchen auch immer wieder genauso machen.

Wussten Sie vorher, worauf Sie sich einlassen?

Melanie Bergermann: Es gab Informanten, die mich gewarnt haben und die mir geraten haben, die Finger davon zu lassen, weil es überall Leute gebe, die es gewöhnt seien, Probleme mit Gewalt zu lösen. An einem Abend habe ich dann früher Schluss gemacht, um zu Hause in Ruhe darüber nachzudenken, ob ich das auf mich nehmen möchte. Letztlich hat es keine Minute gedauert, bis klar war, dass ich das auf jeden Fall machen werde: Es kann nicht sein, dass die Leute, die uns bedrohen und die uns Angst machen wollen, am Ende ungeschoren davonkommen.

Die Bedrohung fing langsam an und steigerte sich. Erst spürten Sie, dass Sie jemand verfolgt und beschattet, dann wurde Ihr Auto zerkratzt und Sie wurden mit einem Laserpointer angestrahlt. Am Anfang haben Sie das alles mit sich selbst ausgemacht. Wann wussten Sie, dass es ernst ist und Sie Hilfe brauchen?

Melanie Bergermann: In dem Moment, wo jemand vor meinem Wohnzimmerfenster stand, war für mich eine Grenze überschritten. Ich dachte immer: my home is my castle. Ich habe mich zuvor in meiner Wohnung nie unsicher gefühlt, in dem Moment aber sind bei mir alle Dämme gebrochen.

Wie sind Sie dann mit der Angst umgegangen?

Melanie Bergermann: Ich konnte das tagsüber komplett ausblenden und bin in meiner Arbeit auch überhaupt nicht eingeschränkt gewesen. Die Probleme kommen erst abends, wenn man zu Hause ist oder nachts im Bett liegt und die Träume losgehen. Das kann man überhaupt nicht mehr beeinflussen.

Kolleginnen und Kollegen, die ebenfalls im Grauen Kapitalmarkt recherchieren, wurden nicht nur bedroht, sondern auch im Netz verunglimpft. Renate Daum z. B. wurde als Stasi-Spitzel verleumdet. Wie oft in der Woche googeln Sie Ihren Namen?

Melanie Bergermann: Ich beschäftige mich damit gar nicht, weil ich diesen Dingen auch keinen übermäßigen Wert beimessen möchte. Ich will auf keinen Fall, dass das Einfluss auf mein Leben hat und dementsprechend blende ich das aus. Ich will mich ja auch in meiner Arbeit nicht davon beeinflussen lassen, was zwangsläufig passieren würde, wenn ich dem Raum gebe. Denn dann würden die Gedanken nur noch darum kreisen, wer es ist und warum er das macht. Und das darf auf keinen Fall passieren. Ich lasse mir von Spinnern keine Angst machen.

Sie haben also nie darüber nachgedacht, wer Sie bedroht?

Melanie Bergermann: Wir haben eine gute Kandidatenliste. Mehr kann ich dazu aber im Augenblick nicht sagen. Wir wollen der Polizei die Arbeit nicht schwieriger machen als nötig.

Sie wissen also nicht genau, wer hinter all dem steckt? Welchen Sinn haben solche Attacken, wenn damit keine konkreten Forderungen verbunden sind?

Melanie Bergermann: Dazu kann und möchte ich nichts sagen.

Verleumderische Mails an Unternehmen, gezielt gestreute Gerüchte in der Branche. Sie sind auch jetzt noch im Visier gewisser Leute, die Sie denunzieren. Wann wird das alles aufhören?

Melanie Bergermann: Wenn ich an diesen Themen dranbleibe, wird das so weitergehen. Sie müssen sich klarmachen, dass es dabei um unfassbar viel Geld geht. Wenn ich einen kritischen Artikel über eine große Bank oder einen Versicherungskonzern schreibe, dann kann denen das sehr weh tun und sie sehr stark in ihrer Reputation schädigen, aber es geht nicht an die Existenz. Wenn Sie aber über so etwas wie geschlossene Fonds schreiben, dann hat so ein Artikel einen wahnsinnigen Effekt. Dann steht am nächsten Tag der Vertrieb still. Da richten Sie unter Umständen einen Millionenschaden an. Dementsprechend können dann auch die Rachegefühle auf der anderen Seite unwahrscheinlich groß sein, weil es wirklich an die Existenz geht. Darum schätze ich die Bereitschaft, gegen Journalisten wie mich vorzugehen und das Problem aus dem Weg zu schaffen, als sehr hoch ein.

Das Motiv ist also Rache?

Melanie Bergermann: Natürlich Rache. Aber nicht allein, denn wir bleiben ja auch an Themen dran. Deshalb geht es auch darum, Berichterstattung zu verhindern.

Das Gespräch mit Melanie Bergermann, Reporterin bei der "Wirtschaftswoche", hat Katy Walther für den „Wirtschaftsjournalist“ geführt. Lesen Sie das komplette Interview im aktuellen WIRTSCHAFTSJOURNALIST. Hier bestellen.