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Tom Buhrow: Schaut Private, mag aber keine Werbeunterbrechung

Wie der neue ARD-Vorsitzende mehr Fußball im Digitalen schaffen will, warum das „Umweltsau“-Lied bloß missverstanden wurde und was die politische Lage in Thüringen für den Rundfunkbeitrag bedeutet.

Köln (dpa) − Sein Start als ARD-Vorsitzender war für Tom Buhrow zu Jahresbeginn begleitet von der Debatte zum „Umweltsau“-Lied. Nun steht bald eine wichtige Weichenstellung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland an − eine mögliche Erhöhung des Rundfunkbeitrags. Warum sich Buhrow in dem Zusammenhang Gedanken über die aktuelle politische Lage in Thüringen macht und wie er versucht, mehr Sport im digitalen ARD-Angebot zu zeigen, erläuterte er im Interview der Deutschen Presse-Agentur.

 

Schauen Sie heimlich ZDF?

Tom Buhrow: Ich schaue alles, auch kommerzielle Konkurrenz. Aber natürlich schaue ich ZDF, ZDF-Mediathek und Streamingdienste. Ich muss mich ja informieren, aber ich schaue es auch als Konsument.

 

Was schalten Sie bei der Konkurrenz nicht ein?

Ich mag keine Werbeunterbrechung, auch wenn es ein gutes Programm ist und mich interessiert. Deshalb schalte ich dann vielleicht nicht ganz so oft die kommerziellen Sender ein. Und ich schalte nicht gerne ein, wenn Menschen in ihrem persönlichsten, intimsten Familien- oder privaten Zusammenhang gezeigt werden. Ich möchte nicht in die Intimsphäre von Menschen eindringen. Ich fühle mich dann wie ein Voyeur.

 

Ende des vergangenen Jahres brach ein Eklat um das „Umweltsau“-Lied des WDR-Kinderchores aus. Wie bewerten Sie in der Rückschau die Debatte?

Ich finde, dass es eigentlich überhaupt kein großes Ding sein sollte, wenn man sich mal beim Publikum entschuldigt. Meine Botschaft auch an meine Leute war und ist: probiert was aus. Aber wenn es schief geht, dass Leute es komplett missverstehen, dann ist eine Entschuldigung für mich kein Problem. Insofern finde ich das überbewertet.

 

Was fanden Sie am Schlimmsten an dem Eklat?

Er hat die Zerrissenheit, zum Teil sogar die Verrohung in Deutschland, noch mal richtig freigelegt. Wenn es Rangeleien vorm Funkhaus wegen eines satirischen Videos gibt, das viele Leute eben nicht so verstanden haben, wie es vielleicht gemeint war und für das ich mich entschuldigt habe − wenn das dann dazu führt, dass Menschen miteinander in körperliche Auseinandersetzungen geraten, dass Hausfriedensbruch bei uns passiert ist, Bedrohungen an Leib und Leben stattfinden − dann finde ich das erschreckend. 

 

In Thüringen ist unlängst der FDP-Politiker Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten gewählt worden, später erklärte er seinen Rücktritt. Erstmals war jemand in ein Ministerpräsidentenamt durch die Stimmen der AfD gekommen. Was haben Sie als ARD-Vorsitzender im Moment der Wahl Kemmerichs gedacht?

Was sind die Konsequenzen medienpolitisch? Was bedeutet das für unsere Finanzierung für die nächsten vier Jahre? Die Länderchefs wollten eigentlich im März eine Grundsatzentscheidung treffen. Es hat damit noch nicht Staatsvertrags-Charakter, aber sie wollten den Entwurf auf den Weg bringen. Ob das jetzt noch möglich ist, ist zumindest in Frage gestellt. Deshalb war das mein erster Gedanke. Was heißt das jetzt?

 

Sie meinen die Ministerpräsidentenkonferenz im März, bei der das Thema Erhöhung des Rundfunkbeitrags auf den Tisch kommen könnte. Die politische Lage in Thüringen ist zurzeit völlig unklar. Ist das Thema wieder in die Ferne gerückt?

Ich hoffe nicht. Aber ich mache mir Sorgen. Ich kann nur inständig hoffen, dass die Länder handlungsfähig sind, um einen verlässlichen Finanzrahmen zu geben, weil die Konsequenzen erheblich sein könnten, wenn sich zum Beispiel der Zeitplan nach hinten verschiebt. Man braucht 16 handlungsfähige Regierungen und 16 handlungsfähige Landtage. Es ist immer noch möglich, dass in Thüringen demnächst ein handlungsfähiger Regierungschef da ist und dann mit Verzögerung die Diskussionen stattfinden. Aber es macht die Lage insgesamt schwieriger, für die Länder und für uns. Wir müssen ja irgendwann auch unsere Wirtschaftspläne aufstellen.

 

Gehen Sie davon aus, dass es noch möglich ist, dass zum 1. Januar 2021 ein neuer Rundfunkbeitrag kommt?

Ja.

 

Gibt es Worst-Case-Szenarien, die Sie mit den Intendanten besprochen haben?

Im Augenblick konzentrieren wir uns darauf, dass wir alle unsere Hausaufgaben machen, um von uns aus jedenfalls alle Hindernisse abzubauen, damit die Politik entscheiden kann. Hypothetische Diskussionen über Worst-Case-Szenarien betreiben wir nicht.

 

Die Empfehlung der KEF als zuständige Kommission wird voraussichtlich sein, den monatlichen Rundfunkbeitrag von 17,50 Euro auf 18,36 Euro zu erhöhen. Welche Zahl hätten Sie sich gewünscht?

Wir haben nie über Wunschzahlen gesprochen, sondern nur unseren Bedarf angemeldet. Wäre der gesamte Bedarf anerkannt worden, hätten wir etwas höher gelegen. 

Sie wollen in der ARD die Ausgaben für Sportrechte nicht aufstocken, sondern stabil halten. Derzeit gibt es wieder einen Bieterwettbewerb um Ausstrahlungsrechte im Fußball. Droht Ihnen weniger Fußball im Programm?

Verhandlungen sind immer schwierig. Wir haben schon in den letzten zehn Jahren mehr und mehr erlebt, dass es einen Punkt gibt, wo wir es nicht mehr verantworten können. Wir haben erlebt, dass wir etliche Wettbewerbe nicht mehr im Programm haben. Auch etliche attraktive Dinge, die wir gerne gehabt hätten. Ich hoffe, dass wir die Wettbewerbe, die wir gern bei uns im Programm hätten, zu einem vertretbaren Preis bekommen. Ich werde das auch unterstützen. Aber es gilt schon lange, dass wir nicht mehr jeden Preis zahlen können und mit den Konsequenzen müssen wir programmlich leben.

 

Sport ist eines der Vehikel, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat, um jüngeres Publikum anzuziehen − speziell der Fußball. Ist es unter dem Gesichtspunkt problematisch, wenn Sport der ARD abhanden geht?

Ich sehe vor allen Dingen eine andere Herausforderung: dass wir den Sport im digitalen Bereich besser nutzen müssen. Wir haben großen Zuspruch von jungen Nutzerinnen und Nutzern, wenn wir Sport-Großereignisse haben. Sie sind dann überproportional dabei. Aber die meisten bleiben nicht im Alltag. Die Herausforderung besteht darin, mehr von ihnen an uns zu binden. Dafür müssen wir genauer ins Netz gucken. Bisher sind unsere Rechte, die wir für Weiterverwertung im Netz haben, begrenzt. Wir merken, dass die Kollegen mit sehr viel Fantasie und Energie dabei sind, „sportschau.de“ noch attraktiver zu machen, trotz häufig fehlender Onlinerechte.

Ich habe es ja auch als „Tagesthemen“-Moderator gemerkt, wenn wir unsere Sendungen ins Netz gestellt haben. Bei diversen Sportberichten musste Schwarzbild gesendet werden, weil wir die Rechte nicht hatten. Ich glaube, es ist weniger die Frage: Wieviel können wir ausgeben für Sport im linearen Programm, weil wir doch die jungen Zuschauer erreichen wollen? Die Herausforderung ist eher: Wie können wir im Netz den Sport, übrigens auch den Breitensport, begleiten und unsere Sportkompetenz voll ausspielen?

 

Was muss sich ändern?

Ein Teil ist schon im Gange. Ich überlasse den Sportkollegen natürlich die Verhandlungen und die Gespräche. Aber die DFL überlegt auch schon, wie sie im Digitalen Angebote ausschreibt.

 

Sie sind seit Jahresbeginn ARD-Vorsitzender. Wann ist das für Sie eine erfolgreiche und gute Zeit gewesen?

Wenn wir drei Ziele erreicht haben. Das eine ist: die Finanzierung zu sichern. Zweitens: die ARD als Gemeinschaft zusammenzuhalten und zu stärken. Und drittens: der Bevölkerung solche Angebote zu machen und so im Gespräch zu sein, dass unsere ohnehin hohe Akzeptanz steigt. Stark in der Region, verlässlich, nah und nahbar − so können wir uns beim Publikum neu verankern.

 

ZUR PERSON: Tom Buhrow ist seit Jahresbeginn neuer ARD-Vorsitzender. Der 61-Jährige ist zugleich seit Sommer 2013 Intendant des Westdeutschen Rundfunks (WDR) als größte ARD-Rundfunkanstalt. Davor hatte er zahlreiche Positionen innerhalb der ARD inne. Darunter leitete er mehrere Jahre das ARD Studio Washington und war von 2006 bis 2013 Moderator der „Tagesthemen“. Buhrow wurde 1958 in Troisdorf geboren. Er studierte Geschichte, Politologie und Rheinische Landeskunde in Bonn.