Pressefreiheit
dpa

China weist gleich drei Journalisten des „Wall Street Journals“ aus

Zum ersten Mal seit Jahrzehnten weist China drei Korrespondenten auf einmal aus. Auslöser ist die Empörung, in einem Gastkommentar zum Coronavirus als „wahrer kranker Mann Asiens“ beschrieben zu werden.

Peking (dpa) − Aus Protest gegen einen als beleidigend empfundenen Kommentar im „Wall Street Journal“ zum Ausbruch der Lungenkrankheit weist China drei Korrespondenten der Zeitung aus. Ihnen werde mit sofortiger Wirkung die Akkreditierung entzogen, teilte der Sprecher des Außenministeriums, Geng Shuang, am Mittwoch vor der Presse in Peking mit. Es ist das erste Mal in der jüngeren Geschichte der Volksrepublik, dass gleich mehrere Korrespondenten einer internationalen Nachrichtenorganisation des Landes verwiesen werden. 

 

Vizebürochef Josh Chin und Reporter Chao Deng, die US-Bürger sind, sowie Reporter Philip Wen, ein Australier, wurden aufgefordert, China innerhalb von fünf Tagen zu verlassen, berichtete die Zeitung. Die ungewöhnliche Ausweisung verschärft die Spannungen zwischen China und den USA. Washington war am Vortag gegen fünf chinesische Staatsmedien vorgegangen, indem diese künftig als direkte Organe der kommunistischen Führung in Peking stärker reglementiert werden. 

 

Auslöser der chinesischen Verärgerung ist ein Meinungsbeitrag des Kolumnisten Walter Russell Mead im „Wall Street Journal“ vom 4. Februar mit der Überschrift: „China ist der wahre kranke Mann Asiens.“ Die Wortwahl erinnert an die Beschreibung des innerlich zerrissenen Chinas Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts, als das Land durch die Kolonialmächte ausgebeutet wurde − eine Zeit, die heute in China als das „Jahrhundert der Demütigung“ beschrieben wird.

 

Der Außenamtssprecher beschrieb den Titel, den das Blatt gewählt habe, als „rassistisch“. Der Beitrag verunglimpfe die Regierung in Peking und die Bemühungen des Landes im Kampf gegen die Lungenkrankheit, was Empörung im Volk ausgelöst habe. Die chinesische Regierung habe beim „Wall Street Journal“ protestiert, eine öffentliche und formelle Entschuldigung sowie eine Untersuchung der Verantwortlichkeiten gefordert. Die Zeitung habe aber nichts getan. 

 

Daher habe sich die Regierung entschieden, die Akkreditierung von drei Korrespondenten zurückzuziehen. „Das chinesische Volk heißt keine Medien willkommen, die rassistische Äußerungen und bösartige Verleumdungen gegen China veröffentlichen“, sagte der Sprecher. 

 

Der Club der Auslandskorrespondenten in China (FCCC) verurteilte die Ausweisung scharf. Es sei ein „extremer und offensichtlicher Versuch der chinesischen Behörden, ausländische Nachrichtenorganisationen einzuschüchtern, indem Vergeltung gegen ihre in China ansässigen Korrespondenten geübt wird“. Der Club kritisierte eine zunehmende Verschlechterung der Arbeitsbedingungen in China und beklagte zunehmende Schikane, Überwachung und Einschüchterung. 

 

Der als „Meinung“ gekennzeichnete Beitrag von Professor Mead, der internationale Politik am Bard College in Annandale-on-Hudson im US-Bundesstaat New York unterrichtet, setzt sich kritisch mit Chinas Reaktion auf die Lungenkrankheit auseinander. Der Autor sieht Anzeichen, „dass Chinas Behörden weiter versuchen, das wahre Ausmaß des Problems zu vertuschen“. Er warnte auch vor den wirtschaftlichen Folgen und einer schon lange fälligen „massiven wirtschaftlichen Korrektur“, mit der Chinas Behörden vielleicht nicht umgehen könnten. Die Wortwahl „kranker Mann Asiens“ taucht im Text aber nicht auf. 

 

Der sofortige Entzug der Pressekarte ist ungewöhnlich, da China in der Vergangenheit meist die Verlängerung verweigert hat − was dann praktisch auf eine Ausweisung des Korrespondenten hinauslief. Allerdings ist der Ton im Umgang mit ausländischen Medien seit ein paar Jahren rauer geworden. Seit dem Ausbruch der Lungenkrankheit ist zudem die Zensur verschärft worden. Auch die Möglichkeiten, über Tunneldienste (VPN − Virtual Private Network) die Sperren im Internet zu umgehen, werden seither massiver als sonst gestört. 

 

Als Reaktion auf die schärfere Kontrolle chinesischer Medien in den USA drohte Außenamtssprecher Geng Shuang auch nicht näher beschriebene „Gegenmaßnahmen“ an. Die US-Regierung stuft Chinas Staatsmedien künftig als direkte Organe der kommunistischen Führung in Peking ein. Aufgrund des neuen Rechtsstatus müssen sie sich in den USA ähnlich einer Botschaft als ausländische Vertretung registrieren, was stärkere Kontrolle zur Folge haben wird, wie ein ranghoher Beamter des US-Außenministeriums am Dienstag erklärte.

 

Betroffen sind die Nachrichtenagentur Xinhua, der Fernsehsender CGTN, China Radio International sowie die Zeitungen „China Daily“ und das Parteiorgan „Volkszeitung“. Sie seien Teil des „Propaganda-Apparats“ der kommunistischen Partei und der Staatsführung unter Präsident Xi Jinping, sagte der US-Beamte. „Sie bekommen ihre Befehle direkt von ganz oben.“ Die Medien müssen dem US-Außenministerium nun melden, wer für sie arbeitet, und alle Miet- und Eigentumsverhältnisse in den USA offenlegen. Neue Verträge bedürfen der Genehmigung. 

Chinas Außenamtssprecher protestierte gegen die „falsche Entscheidung“. Medien spielten eine wichtige Rolle als Brücke zur Verständigung. „Die in den USA ansässigen Büros chinesischer Medien berichten schon lange nach den Grundsätzen der Objektivität, Unparteilichkeit, Wahrheit und Genauigkeit.»