Pressefreiheit
dpa

„Wall Street Journal“: US-Reporter in Istanbul festgenommen

Zahlreiche türkische Journalisten sitzen wegen Terrorvorwürfen in Untersuchungshaft. Nun hat die Polizei auch einen US-Korrespondenten vorübergehend festgenommen. Ein Einzelfall − oder verschärfen die Behörden nun auch das Vorgehen gegen ausländische Reporter?

Istanbul (dpa) - Die türkischen Behörden haben nach einem Bericht des „Wall Street Journal“ einen amerikanischen Korrespondenten des Blattes festgenommen und zweieinhalb Tage festgehalten. Dion Nissenbaum (49) durfte weder zu seiner Familie noch zu einem Anwalt Kontakt aufnehmen, wie das „Wall Street Journal“ meldete. Die Polizei habe Nissenbaum am Dienstagabend aus seiner Wohnung in Istanbul heraus abgeführt. Die Ehefrau und das gemeinsame siebenmonatige Baby blieben dem Bericht zufolge zurück. Der Reporter sei am Freitagmorgen freigelassen worden. Am Samstag sei er gemeinsam mit seiner Familie in die USA ausgereist.

Die türkische Regierung geht besonders seit dem Putschversuch Mitte Juli verstärkt gegen kritische Journalisten vor. Davon sind vor allem einheimische Reporter betroffen, von denen nach Angaben des Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) am 1. Dezember 81 im Gefängnis saßen. Das ist mehr als in jedem anderen Land der Welt und mehr, als die Organisation jemals in einem Staat registriert hat. Viele davon wurden unter Terrorvorwürfen inhaftiert.

Die Festnahme eines bei der Regierung akkreditierten Auslandskorrespondenten könnte darauf hindeuten, dass die Behörden nun auch das Vorgehen gegen ausländische Reporter verschärfen. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan weist regelmäßig Vorwürfe zurück, die Regierung schränke die Pressefreiheit ein. Das türkische Außenministerium äußerte sich zunächst nicht zu der Festnahme.

Das „Wall Street Journal“ zitierte eine mit dem Fall vertraute Quelle, wonach Nissenbaum festgenommen worden sei, weil er gegen eine Anordnung der Regierung verstoßen habe, wonach von einem bestimmten IS-Video keine Bilder verbreitet werden dürfen. Das betreffende Video der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), das am vorvergangenen Donnerstag im Internet veröffentlicht worden war, soll zeigen, wie zwei türkische Soldaten bei lebendigem Leibe verbrannt werden.

Vize-Ministerpräsident Numan Kurtulmus hatte am vergangenen Dienstag vor der Verbreitung des Videos gewarnt und nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu gesagt: „Einige unsere Freunde im Medienbereich müssen auf ihre Schritte achtgeben.“ Kurtulmus hatte die Echtheit des grausamen Videos nicht bestätigt. Nach der Veröffentlichung der Aufnahmen sperrten die Behörden erneut vorübergehend soziale Medien wie Twitter und YouTube.

Das „Wall Street Journal“ zitierte Nissenbaum, wonach die Behörden ihm nach seiner Festnahme mitteilten, gegen ihn werde ermittelt. Sie hätten aber keine Angaben zum Anlass der Ermittlungen gemacht. Nissenbaum stellte auf Twitter klar, dass er die Türkei nach seiner Freilassung freiwillig verlassen habe. Die Androhung, er werde ausgewiesen, sei bei seiner Freilassung fallengelassen worden.