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Talkshows im deutschen Fernsehen: Zu viel Show, zu wenig Substanz

Studierende der Universität Koblenz-Landau haben die Talk-Landschaft im deutschen Fernsehen in einer aktuellen Dokumentation unter die Lupe genommen. Klares Ergebnis von „Die Talk-Republik. Köpfe, Kritiker, Konzepte“ - in den Sendungen herrscht zu viel Show und zu wenig Substanz. Und - das Potenzial, Politik tatsächlich zu vermitteln, wird meist nicht ausgeschöpft.

Berlin - Sternstunden sind selten, so die Bilanz der Analyse von 22 Talk-Formaten. Eine überschaubare Zahl von Gästen wechselt  sich in regelmäßigen Abständen ab, der Faktor „Gesichtsbekanntheit“ und „kalkulierte Positions-Rolle“ hat eine zentrale Bedeutung bei der Besetzung der Positionen, haben die Studierenden unter der Leitung von Thomas Leif, Honorarprofessor für Politologie und Chefreporter beim Südwestrundfunk, herausgefunden. 

Die Themen und Inhalte der Sendungen sind dabei allzu oft reaktiv, reflektieren erwartbare Gedanken, die in das bewährte Muster „Kasperle“ und das „Krokodil“ passen;  interessante, argumentativ gestützte Wortduelle und überraschende Sichtweisen haben Seltenheitswert. Print- und Onlinemedien lassen in ihren Dauer-Rezensionen meist – unabhängig von Konzept, Besetzung und  Moderationsleistung – kein gutes Haar an den Talkshows. Die Kritiken gleichen häufig derben Verrissen. Damit wiederholen sie im Stil die wenig differenzierten Methoden, die sie selbst an den Talkshows kritisieren.

„Mit der Analyse der Programm prägenden Talk-Shows werden überprüfbare Bewertungskriterien jenseits der Quote vorgelegt, die eine differenzierte und sachliche Diskussion über das derzeit umstrittenste Format des deutschen Fernsehens ermöglichen,“ sagte Thomas Leif zum Sinn des Studierenden-Projekts. „Außerdem wird mit dem Focus der Analysen auf das Politikvermittlungs-Potential von Talk-Shows eine Brücke zwischen Theorie und Praxis geschlagen.“

Wie funktioniert eine Talkshow, welcher Dramaturgie folgt ihr Aufbau? Ist die „Show“ wichtiger als der „Gesprächs-Ertrag“? Wie erfolgt die Gästeauswahl, welchen Einfluss auf den Verlauf kann der Moderator nehmen? Welche Rolle könn(t)en Talkshows für die Politikvermittlung in Deutschland spielen und wie müsste eine `ideale Talkshow` aus der Perspektive interessierte Zuschauer konzipiert sein? Alles Fragen, mit der sich die 35 Studierenden im Sommersemester 2012 für die „Talk-Republik“ beschäftigt haben.

Für den Werkstattbericht haben sie sich mit den Sendungen "Günther Jauch", "Anne Will", "Hart aber fair", "Maybrit Illner", "Münchner Runde", "Fakt ist", "Phoenix-Runde", "Presseclub", "Bei Brender!", "Unter den Linden", "Das Duell", "Studio Friedmann", "Forum Manager", "Markus Lanz", "Kölner Treff", "Eins gegen Eins", "Roche & Böhmermann", "Stuckrad Late Night" sowie den Klassikern "Roger Willemsen", "Talk im Turm" und "Sabine Christiansen" beschäftigt.

Klares Ergebnis

Für die Studierenden steht fest, dass die Redaktionen der Talkshows mutiger werden, eigene Themen-Akzente setzen und unverbrauchte Köpfe präsentieren und so über den Tellerrand des Mainstreams der Politik-Berichterstattung hinausblicken. Dabei gilt: Information und Unterhaltung schließen sich nicht aus, beide Pole können sich ergänzen.

Bülend Ürük

NEWSROOM-Tipp: Die 290-seitige Dokumentation „Die Talk-Republik. Köpfe, Kritiker, Konzepte“ kann unter www.talk-republik.de heruntergeladen werden. Ein Print-Exemplar der Dokumentation gibt es gegen Einsendung eines mit 2,20 Euro frankierten und adressierten A4-Umschlags hier: Universität Koblenz-Landau, Frank-Loeb-Institut, Kaufhausgasse 9, 76829 Landau.