AFP-Chef wütend: "dapd-Gebaren schadet Image der ganzen Branche"
Nur wenn Nachrichtenagenturen ihren guten Ruf bewahren, können sie auch heute noch erfolgreich arbeiten, erklärt AFP-Geschäftsführer Clemens Wortmann im großen Interview mit NEWSROOM-Chefredakteur Bülend Ürük.
Berlin - Was macht ein Unternehmen, das am Boden liegt? Es gibt auf. Oder es steht auf und investiert.
Seit Ende der 1940er-Jahre ist die Nachrichtenagentur AFP in Deutschland präsent. Doch erst seit 1987 werden die deutschen Nachrichten auch tatsächlich in Deutschland produziert. Im Interview mit NEWSROOM erinnert sich Clemens Wortmann, Mitarbeiter der ersten Stunde und heute Geschäftsführer von AFP Deutschland, an die ersten Schritte der "neuen" AFP Deutschland und an die Bedeutung von Nachrichtenagenturen.
Zudem spricht er erstmals öffentlich von dem Streit mit der dapd; der dapd-Führung wirft Wortmann vor, falsche Behauptungen zu verbreiten und Schmähkritik zu üben.
Das "aggressive Verhalten der dapd" zeigt bei den Mitbewerbern auf dem härtesten Agenturmarkt der Welt Wirkung, die anderen Nachrichtenagenturen rücken zusammen.
Clemens Wortmann, Geschäftsführer AFP Deutschland.
NEWSROOM:Herr Wortmann, es war das Jahr 1986, als das Zweite Deutsche Fernsehen und die "Süddeutsche Zeitung" den deutschen AFP-Dienst abbestellten, der damit nur noch 23 Bezieher hatte. Was führte damals zum Niedergang des deutschen Textangebots der AFP?
Clemens Wortmann: Marktferne! Die in Paris ansässige deutsche Redaktion und damit der von ihr produzierte Dienst hatten wenig Bezug zum gesellschaftlichen Leben in Deutschland und zur dortigen Nachrichtenlage. Viele Mitarbeiter des Desk Allemand lebten schon so lange in Frankreich, dass die Texte auch sprachlich unter Gallizismen litten.
Die völlig unterschiedliche Wahrnehmung der Tschernobyl-Katastrophe in beiden Ländern schlug sich auch im Zuschnitt des deutschen AFP-Angebots nieder und löste die beiden Kündigungen aus, die aber durch das, was folgte, schnell zurückgedreht werden konnten.
NEWSROOM:Dabei war AFP doch schon seit 1946 auf dem deutschen Markt präsent! Wie war der Dienst da aufgestellt?
Clemens Wortmann: Es gab nur den Wortdienst, der ausschließlich aus in Paris übersetzten internationalen Nachrichten bestand. In Deutschland, also vor allem Bonn, gab es Korrespondenten des Weltdienstes.
NEWSROOM: AFP stand also vor der Entscheidung, den deutschen Dienst zu schließen oder ihn nach Deutschland zu verlagern und in ihn zu investieren?
Clemens Wortmann: Das Angebot war hoch defizitär und für die deutschen Medien von geringer Relevanz. Neben dem Neustart in Bonn sollte deshalb auch eine Grundabdeckung mit Inlandsnachrichten zu den globalen News hinzukommen
NEWSROOM: Es war dann 1987, also vor 25 Jahren, als AFP in Bonn das Deutschlandbüro eröffnete.
Clemens Wortmann: Die deutsche Tochterfirma wurde Ende 1986 gegründet und stellte ab Dezember ein gutes Dutzend Redakteurinnen und Redakteure ein. Fast alle Kollegen des Desk Allemand in Paris wollten nämlich dort bleiben und gingen auf andere Stellen oder orientierten sich anderweitig. Das neugeformte, sehr junge Team, trainierte zunächst monatelang den Ernstfall und ab dem Frühjahr wurden die Meldungen dann tatsächlich aus Bonn gesendet.
NEWSROOM: Damals sind Sie zur AFP gekommen. Wie?
Clemens Wortmann: Ich hatte seinerzeit gut sieben Berufsjahre auf dem Buckel, die neben Regionalzeitung und öffentlichem Radio ein knappes Jahr Pariserfahrung umschlossen. Dort war ich mit AFP-Leuten in Kontakt gekommen, woran die sich nun erinnerten.
NEWSROOM: Wie viele Kollegen haben damals mit Ihnen in Bonn begonnen?
Clemens Wortmann: Zunächst war unsere Personalstärke auf 19 begrenzt, davon drei für die so genannte „Composante Allemande“, also Inlandsthemen.
NEWSROOM:Und wie viele Redakteurinnen und Redakteure beschäftigt AFP heute in Deutschland?
Clemens Wortmann: Festangestellt sind 54 redaktionelle Kräfte, davon über 40 beim Textdienst, die anderen Kollegen für Infografik, Video und Multimedia. Für die nichtdeutschen Angebote und den Fotodienst arbeiten hier zudem weitere 24 Journalistinnen und Journalisten unseres Mutterhauses. Neun Mitarbeiter sind außerhalb der Redaktionen tätig. Neben Berlin sind wir in neun weiteren Städten mit Büros oder festen Freien vertreten.
NEWSROOM: 1997 ist AFP beim Sport-Informations-Dienst eingestiegen. Warum haben Sie damals den SID nicht in Ihren Dienst integriert?
Clemens Wortmann: Der SID mit seinen noch mal über 50 festangestellten Journalisten und Scharen freier Mitarbeiter ist die einzige richtig große Sportfachagentur in Europa und genießt seit 65 Jahren höchste Anerkennung bei aktiven und ehemaligen Sportlern, bei den Vereinen, Funktionären und Sportwissenschaftlern. Wir wären mit dem Klammerbeutel gepudert, eine solch starke Marke zu verwischen oder zu verstecken.
Unsere objektiv erstellten Verwendungsanalysen rund um die Fußball-EM, also die so genannten Playlists, haben gerade erst wieder gezeigt, dass der SID seine Führungsposition unter den Agenturen sogar noch mal ausbauen konnte. Zugleich kümmern wir uns aber schon seit ein paar Jahren verstärkt um Synergiegewinne bei Vertrieb, Technik, Organisation und Videoproduktion. Denn diese Premiummarke für die Sportwelt soll ja auch in schwierigeren Zeiten für die Abnehmer bezahlbar bleiben.
Blick in die AFP-Auslandsredaktion, ca. 1995, damals noch in Bonn. Foto: Archiv
NEWSROOM: Was reizt Sie noch heute am Agenturgeschäft?
Clemens Wortmann: Gerade Presseagenturen müssen sich ständig an der Spitze der Modernisierung bewegen, Trends antizipieren, das Verständnis auch für das technische Umfeld unseres Metiers beständig pflegen. Man rostet nicht ein. Unser Erfolgsrezept in Deutschland war immer die Diversifizierung.
Wir wollen auch weiterhin beweisen, dass flexibel agierende Komplementäragenturen wie die AFP GmbH und der SID in fairem Wettbewerb neben der medieneigenen dpa nachhaltig bestehen können und für eine Angebotsvielfalt in Deutschland sorgen, um die uns fast alle anderen Länder beneiden können.
NEWSROOM:Immer wieder klagen Tageszeitungen und andere Medien über die Kosten, die das Abonnement der Nachrichtenagenturen verschlingen. Warum lohnt es sich heute noch, Kunde von AFP zu bleiben?
Clemens Wortmann: Weil es unendlich viel teurer wäre, wenn jeder Agenturkunde Inhalte gleicher Qualität für sich alleine produzieren müsste, besonders wenn es um Auslandsgeschichten ginge. Wobei die Agenturen ja in den vergangenen 20 Jahren ihre Angebote immer mehr ausgeweitet haben.
Klar muss jedes Medium zusätzlich die jeweils für sich profilbildenden Inhalte selbst produzieren. Das ist ein Balanceakt, bei dem wir im Dialog mit den Abnehmern unsere Zulieferung immer wieder neu kalibrieren. Der Erfolg gibt uns recht: Heute hat alleine unser deutscher Textdienst 140 Abonnenten; dazu kommen über 250 feste Bezieher von Grafiken, Fotos, Videos und multimedial integrierten Angeboten.
NEWSROOM: Aber warum gibt es dann bei Google einen eigenen AFP-Kanal, in dem alle deutschen AFP-Nachrichten direkt und unredigiert erscheinen? Wollen Sie Ihren Kunden Konkurrenz machen? Und was zahlt Ihnen Google, damit Ihre Nachrichten dort direkt von dem Suchmaschinenbetreiber veröffentlicht werden dürfen?
Clemens Wortmann: Das beißt sich nicht, weil wir eben nicht alle AFP-Artikel in diesen „hostednews“ veröffentlichen, sondern nur Faktenmeldungen niedriger Sendepriorität – und auch von denen nicht alle, zudem werden sie gekürzt. Alle Arten von Beipapieren, die Zusammenfassungen und Eilmeldungen gehen nicht in den Google-Kanal, bei dem wir einen Anteil der Werbeeinnahmen kassieren.
NEWSROOM: Seit 2009 verfolgt AFP Urheberrechtsverletzung bei Blogs und anderen Websites mit Massenabmahnungen. Wie erfolgreich sind Sie mit Ihren Abmahnungen? Was nehmen Sie mit den Lizenzgebühren ein?
Das AFP-Logo.
Clemens Wortmann: Die Vielzahl dieser Vorgänge liegt an der hohen Zahl von Urheberrechtsverletzungen, auf die wir stoßen. Das zum Begriff „Masse“. Und wir erheben auch keine Mahngebühren sondern fordern unsere Lizenzzahlung nach, die von vorneherein hätten bezahlt werden müssen.
Die Anwälte und der Betreiber der Trackingsoftware erhalten ein angemessenes Honorar, durch das Einfordern von Schadenersatz sind diese Summen jedoch vergleichsweise geringer als bei anderen Modellen der Rechteverfolgung. Soweit mit dem Begriff „Massenabmahnung“ also von Betroffenen suggeriert wird, es gehe hier um ein perfides Geschäftsmodell, ist das pure Ablenkung.
Wichtiger als die in der Summe sehr überschaubaren, nachgeforderten Lizenzeinnahmen ist für uns der Schutz der Belange der zahlenden Kunden, die sich ja veräppelt fühlen müssen, wenn andere gratis mit dem gleichen Content aufwarten. Die Vielzahl der Copyrightverletzungen zwingt zu einer gewissen Automatisierung bei ihrer Verfolgung. Und da mussten wir in den ersten Phasen noch Erfahrungen sammeln und Schwachstellen aufspüren. Schon seit längerem läuft das aber so, dass die vorgebrachte Kritik ins Leere läuft.
NEWSROOM:Lange Jahre haben die Produkte der Nachrichtenagenturen Form und Inhalt der Medien beherrscht. Doch mit dem Internet hat sich die Wahrnehmung verändert. Was bedeutet das für die Arbeit Ihrer Redaktion?
Clemens Wortmann: Na ja: Beherrscht haben die Nachrichtenagenturen ja auch früher - wenn man das überhaupt so sagen kann - nur die Meldungsspalten der Ressorts. Prägend waren sie immer nur für das Grundrauschen der Medien. Und das ist auch weiter so, weniger in der Innenpolitik, stärker aus dem Ausland und beim Vermischten. Profilgebend sind für die Publikumsmedien dagegen die Eigenberichte, die Leitartikel, die regionalen oder fachspezifischen Schwerpunkte, Serviceangebote, lange und vertiefende Themenstrecken, die Agenturen nicht oder in nur begrenztem Maß liefern. Auch wenn es aufgrund ihrer breiten Netzwerke oder Präsenz in entlegenen Weltgegenden viele Agentur-Scoops gibt, findet Enthüllungsjournalismus im engeren Sinne in sehr viel stärkerem Maße exklusiv in den Endmedien statt und nicht beim Nachrichtengroßhändler.
NEWSROOM: Gerät der Wert von Nachrichten durch Social Media und die schiere Masse von Blogs und Nachrichten im Internet unter Druck?
Clemens Wortmann: Okay. Wenn heute auf dem Hudson bei New York eine Fähre Schlagseite bekommt, gibt es die ersten Infos darüber von Betroffenen oder Augenzeugen über Twitter. Aber liefert der Augenzeuge den Medien und dem breiten Publikum dann auch den runden Bericht über Ablauf, Ursache und Folgen? Von wem kommt die lebendige Zusammenfassung mit den Stimmen vieler Beteiligter?
Und die Sozialen Netzwerke sind ja auch die größte Gerüchteküche aller Zeiten. Das Verifizieren der dort gestreuten Infos und sodann ihre Einordnung und Anreicherung mit Hintergrund ist die vornehme Aufgabe der Nachrichtenagenturen, deren professionelle Rolle angesichts des ganzen Buzz im Web sogar noch wichtiger geworden ist.
NEWSROOM: Welche Bedeutung hat der deutsche Markt eigentlich für AFP weltweit?
Clemens Wortmann: Deutschland ist für AFP unter den Kriterien Umsatz und Personaleinsatz der wichtigste nationale Markt außerhalb Frankreichs. Angesichts des wirtschaftlichen und politischen Gewichts unseres Landes ist natürlich auch die redaktionelle Abdeckung von großer Bedeutung für eine Weltagentur. Zuwachsmärkte findet die AFP gegenwärtig eher in den Schwellenländern.
NEWSROOM:Wie innovationsfreudig ist aus Ihrer Sicht der deutschsprachige Medienmarkt?
Clemens Wortmann: Das liegt im Mainstream der nördlichen Hemisphäre. Ich sehe keine großen Unterschiede zu den USA oder anderen Ländern Europas. Vieles erschließt sich ja angesichts der rasanten technischen Entwicklungen nach dem Motto „Versuch macht klug“. Alle Massenmedien stehen vor der Aufgabe, die sinkenden Vertriebs- und Werbeerlöse der traditionellen Informationsangebote durch neue Modelle der Refinanzierung möglichst weit zu ersetzen. Dabei hat noch niemand den Stein der Weisen entdeckt.
In Afrika sehen wir, dass Content für mobile Geräte besseren Absatz findet als bei uns und sich entsprechend stärker entwickelt und ausdifferenziert. Aber da ist eben das Smartphone die Regel und der Computer oder Fernseher für viele ein unerreichbares Luxusgut.
NEWSROOM: Wie kann eine Nachrichtenagentur heute noch erfolgreich arbeiten?
Clemens Wortmann: Indem sie über Zuverlässigkeit ihren guten Ruf bewahrt und mit Klugheit die künftigen Entwicklungen antizipiert.
Als die Computer noch fast so groß wie Kühlschränke waren - eine Mitarbeiterin am alten AFP-Computer in Bonn (ca. 1988). Foto: Archiv
NEWSROOM: Erfüllen die Nachrichtenagenturen heute noch den öffentlichen Auftrag?
Clemens Wortmann: Die genossenschaftlich organisierten und die öffentlich-rechtlich verfassten Agenturen sorgen gewissenhaft für die Herstellung einer demokratischen und pluralistischen Öffentlichkeit in allen gesellschaftlich relevanten Bereichen. Dabei hilft ihnen ihr „not-for-profit-“Charakter.
Agenturen im Privat- oder Aktienbesitz haben letztlich andere Prioritäten und konzentrieren sich auf die Segmente, die Rentabilität sichern. Zuverlässig und interessenunabhängig müssen aber auch sie berichten, um erfolgreich zu sein.
NEWSROOM: Wann greifen Redaktionen eher zu einer Meldung von AFP als zur Konkurrenz?
Clemens Wortmann: Zum einen, wenn sie aus den vielen Weltregionen kommt, wo wir tatsächlich vor Ort sind und nicht andere Medien zitieren müssen. Eines von vielen aktuellen Beispielen dafür ist Mali.
Außerdem und das auch oft aus Deutschland, wenn unsere Meldungen präzise und verständlich geschrieben sind oder die Berichte sehr gut die Hintergründe und die Relevanz eines Themas erläutern.
NEWSROOM: Alle Nachrichtenagenturen klagen über weniger Umsatz, eigentlich machen außer den großen Wirtschaftsnachrichtenagenturen die wenigsten Agenturen Gewinn. Sie weisen für das Vorjahr 500.000 Euro Gewinn für AFP und SID aus. Haben Sie Tafelsilber verkauft oder woher stammt der Gewinn?
Clemens Wortmann: Auch bei uns gibt es heute eine stärkere Fluktuation unter den Beziehern, aber unterm Strich gewinnen wir Kunden hinzu und die Umsätze steigen weiter leicht oder sind schlimmstenfalls stagnierend. Eine Umsatzrendite von 3,5 Prozent ist ja nun gerade das, was ein vorsichtiger Manager erzielt, wenn er „not-for-profit“ arbeitet, aber auch nicht ins Defizit geraten soll.
NEWSROOM:Branchengerüchte besagen, dass AFP Deutschland nur dank der Tochterfirma SID schwarze Zahlen schreibt. Der Gewinn der Sportagentur liege im zweistelligen Prozentbereich ihres Umsatzes. Stimmt das?
Das Logo vom Sport-Informations-Dienst (sid).
Clemens Wortmann: Nein. Auch beim SID ist die Umsatzrendite Jahr für Jahr einstellig. Richtig ist, dass die Berliner AFP GmbH etwas mehr zum Umsatz der Gruppe beisteuert und der SID mehr zum Jahresüberschuss. Da mag dieses Gerücht seinen Ursprung haben.
NEWSROOM: Nachrichtenagenturen nehmen eine Schlüsselfunktion in demokratischen Gesellschaften ein. Wie fragil sind Gesellschaften, wenn Unternehmen, die im Gegensatz zu AFP oder dpa Gewinn machen müssen, diesen Markt dominieren?
Clemens Wortmann: Die Versorgung der Medien und der Öffentlichkeit mit unabhängigen Nachrichten zu allen relevanten Themen könnte verarmen. Wirtschaftsberichte und People-Geschichten lassen sich halt besser vermarkten als Artikel über Politik und Konflikte.
NEWSROOM: Die Nachrichtenagentur dapd hat mehrere SID-Führungskräfte abgeworben, Ihr Mitbewerber jubelt. Haben Sie die Gehälter Ihrer Mitarbeiter jetzt verdoppelt, damit sie nicht wechseln?
Clemens Wortmann: Jeder dieser drei Wechsel erfolgte aus anderen, teils privaten Motiven. Die Gehaltshöhe hat aber bei keinem der drei eine Rolle gespielt. Die zeitliche Koinzidenz hat natürlich viele irritiert. Die Sache ist aber gegessen.
NEWSROOM: Was stört Sie genau an der Konkurrenz mit dapd?
Clemens Wortmann: Die journalistische Konkurrenz stört uns gar nicht. Da haben wir uns ja mit fairem Sportsgeist 25 Jahre lang auch mit ddp und AP wie mit den vier anderen thematisch breiter aufgestellten Agenturen Tag für Tag gerne gemessen. Was uns dagegen übel aufstößt, ist die aggressive Begleitmusik, die die Leitungsebene der dapd hin und wieder intoniert. Das geht so weit, dass wir uns auch mit Falschbehauptungen und Schmähkritik konfrontiert sehen.
Zum dritten Mal in knapp zwei Jahren müssen wir nun vor Gericht Unterlassungsklagen gegen die dapd-Direktion durchsetzen. Und besonders schlimm ist, dass die dapd kürzlich den Tabubruch begangen hat, den eigenen Textdienst dazu zu missbrauchen, Unwahrheiten über Wettbewerber zu verbreiten, was gerade sogar zu einer Gegendarstellung auf dem dapd-Draht führte. Letztlich könnte durch dieses Verhalten das Vertrauen in die ganze Branche Schaden nehmen.
NEWSROOM:Sie werfen dapd auch vor, intransparent am Markt zu agieren. Was meinen Sie damit?
Clemens Wortmann: Auch hier geht es um das Kommunikationsverhalten: Um ihre wachsende Bedeutung zu belegen, nennt die dapd Umsatzzahlen, differenziert dabei aber nicht, in welchem Maße dies zugekaufter Umsatz von Beteiligungsfirmen ist, ob es um Inlands- oder Auslandserlöse geht und ob der Umsatz des Kerngeschäfts, also der dapd-Agentur, überhaupt seit der Fusion gewachsen ist. Wir erfahren, dass die Unternehmensgruppe bankschuldenfrei ist, aber ob sie rentabel ist oder von Dauerzuschüssen ihrer Besitzer lebt, bleibt ungeklärt. Eigentlich sieht unser Rechtssystem vor, dass Unternehmen binnen Jahresfrist ihre Jahresabschlüsse veröffentlichen müssen, um solche Angaben überprüfbar zu machen.
Schauen Sie aber mal im Unternehmensregister nach und Sie lesen dort, dass die Gesellschafterin der dapd beschließt, sich von der Veröffentlichungspflicht zu befreien, weil die dapd GmbH in den Konzernabschluss der dapd media holding AG einbezogen werde. Der letzte veröffentlichte Abschluss der Holding - für das Jahr 2009 - wiederum macht als Unternehmen mit nur einem einzigen Mitarbeiter für sich geltend, dass sie als kleine Gesellschaft nur ganz wenige Bilanzzahlen veröffentlichen muss. Selbst eine Gewinn- und Verlustrechnung legt sie nicht vor. Umsatzzahlen werden somit gar nicht erwähnt. Das mag alles juristisch unangreifbar sein. Aber für ein Medienunternehmen dieses Anspruchs, dessen Umsätze im Inland sehr stark von öffentlichen Aufträgen gespeist werden, ist ein solches Umgehen der Publizierungspflichten nach meinem Empfinden höchst kritikwürdig.
Das deutsche Stammhaus von der "Agence France-Presse" in Berlin heute - Berliner Freiheit. Foto: Archiv
NEWSROOM: Seit zwei Jahren kooperiert AFP mit dem deutschen Marktführer dpa. Wie sieht die Zusammenarbeit aus? Haben Sie sich wegen der Konkurrenz durch dapd zusammengeschlossen?
Clemens Wortmann: Wir arbeiten zum einen auf dem Fotosektor zusammen, indem die AFP für ihr Bildangebot außerhalb Deutschlands auch auf die dpa-Produktion zurückgreift. Vorher haben wir in gleicher Weise mit ddp kooperiert, was durch das Zusammengehen der dapd mit AP obsolet wurde. Soweit ist das also nicht ungewöhnlich.
Im Textbereich ist es so, dass das Pariser dpa-Büro die Frankreichnachrichten der AFP mitlesen kann und dass die Weltdienstreporter der AFP in Deutschland die Inlandsnachrichten der dpa als Hinweisquelle benutzen dürfen. Es ist zudem sicher richtig, dass AFP und dpa angesichts des aggressiven Verhaltens der dapd eine gewisse Solidarität miteinander empfinden.
NEWSROOM:Die Arbeit der dapd ist dem Bundespresseamt inzwischen eine Million Euro mehr wert. Wann sprechen Sie bei Steffen Seibert vor und verlangen mehr Geld für Ihre Dienste?
Clemens Wortmann: Wir haben schon mit ihm gesprochen und dem Vernehmen nach auch andere vom Bundespresseamt genutzte Agenturen. Ein Ergebnis gibt es noch nicht, aber wir werden da gewiss nicht locker lassen.
NEWSROOM: Die Finanzinvestoren Martin Vorderwülbecke und Peter Löw, Eigentümer der dapd, haben es sich mit ihrem forschen Auftritt gerade bei einigen Mitbewerbern verscherzt. Werden Sie gemeinsam mit anderen Wettbewerbern wie dpa, Reuters, epd und KNA eine Allianz gegen die dapd bilden?
Clemens Wortmann: Der Begriff „Allianz“ klingt viel zu bombastisch und wir bleiben ja auch alle untereinander im Wettbewerb, wenn auch mit branchenüblicher Contenance. Es mag hin und wieder Fälle geben, in denen wir auf bestimmte Entwicklungen ähnlich reagieren.
NEWSROOM: Wie sieht der eng besetzte Markt der Nachrichtenagenturen in Deutschland in zehn Jahren aus?
Clemens Wortmann: Ich mag dieses Vorhersagespiel, kann aber nur die meines Erachtens wahrscheinlichste mehrerer denkbarer Varianten nennen: die dpa wird ein hochmodern aufgestellter Marktführer sein, ergänzt um mehrere Komplementärangebote zu denen eine gesunde AFP und ein putzmunterer SID gehören, aber auch eine auf Wirtschaftsnachrichten und Unternehmenskunden konzentrierte dapd, die dann vielleicht neue Besitzer hat. Sie sehen, meinem Optimismus haben die 25 Jahre nicht geschadet.
Mit Clemens Wortmann, Geschäftsführer von AFP Deutschland, sprach NEWSROOM-Chefredakteur Bülend Ürük.
Auf dem Agenturmarkt passiert unheimlich viel. Sie haben Informationen, Tipps, Themen? Ihre Einschätzungen - natürlich auch vertraulich - bitte per Mail direkt an chefredaktion@newsroom.de.