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Newsroom – Marc Bartl

„Bewahren Sie diesen einzigartigen Verlag“: Der Hilferuf der G+J-Redaktionen an die Familie Mohn

„Bewahren Sie diesen einzigartigen Verlag“: Der Hilferuf der G+J-Redaktionen an die Familie Mohn

Einige der renommiertesten G+J-Redaktionen wollen sich gegen die Zerschlagung wehren. Sie wenden sich mit einem Brief an die Eigentümerfamilie. Mitarbeiter protestieren vor dem G+J-Verlagsgebäude.

Hamburg – „Bewahren Sie diesen einzigartigen Verlag und führen Sie ihn gemeinsam mit uns in eine gute Zukunft!“, heißt es in einem Brief, aus dem Alexander Kühn im „Spiegel“ zitiert. Das Schreiben richtet sich dem Nachrichtenmagazin zufolge an Familiensprecher Christoph Mohn und dessen Mutter Liz. Unterzeichnet haben demnach die Redaktionsbeiräte von „Art“, „Brigitte“, „Eltern“, „Geo/P.M.“, „Geolino“, „Stern“ und dem sogenannten Quality Board, dem Schlussredaktion und Faktenchecker angehören.

 

Die Beiräte sind „erschüttert“, dass sich RTL und Bertelsmann nicht schnell und eindeutig zu „spekulativen Berichten“ über die Zukunft von Gruner + Jahr geäußert haben. U.a. veröffentlichte die SZ einen Artikel, der für viel Unruhe sorgte. „So geht man nicht mit Menschen um, die seit vielen Jahren mit großem Engagement für ihre Marke arbeiten. Oder soll hier eine ganze Belegschaft zermürbt werden?“, zitiert der „Spiegel“ aus dem Brief.

 

Gruner + Jahr solle es „offiziell“ nicht mehr geben, heißt es in dem Schreiben weiter. „Der Geist aber, der dieses Verlagshaus über die Jahrzehnte getragen hat, lebt.“ Die Redaktionsbeiräte wehrten sich „gegen die Spaltung, die betrieben wird. Gruner + Jahr ist ein Gesamtpaket, das sowohl in der redaktionellen Zusammenarbeit als auch im Werbemarkt funktioniert.“

 

Am Ende des Schreibens wenden die Beiräte sich laut „Spiegel“ direkt an Liz und Christoph Mohn: Eigentümer und Belegschaft hätten ein „gemeinsames, langfristiges Interesse an einem publizistisch unabhängigen und wirtschaftlich starken Medienhaus“, schreiben sie demnach. „Angestellte Manager denken dagegen oft viel zu kurzfristig. Wir appellieren an Ihre unternehmerische, gesellschaftliche und soziale Verantwortung.“

 

Protest vor dem G+J-Verlagsgebäude

Gestern versammelten sich zudem Beschäftigte vor dem G+J-Verlagsgebäude in Hamburg, Gewerkschafter hatten zu der Protestaktion aufgerufen. Nach Verdi-Angaben kamen mehr als 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammen. Sie hielten Plakate in die Höhe. Darauf waren Titel ihrer Zeitschriften zu sehen, dazu Forderungen wie: „Wir wollen bleiben!!!“ oder Stoppt den Ausverkauf!. Verdi betonte, dass der Protest in Hamburg ein Auftakt zu weiteren Aktionen sei.

 

Hamburgs Mediensenator Carsten Brosda sagte beim Protest: „Es wird Zeit, dass die Ungewissheit für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter endet und es eine klare Perspektive für die Zukunft gibt. Für mich gilt nach wie vor: Wer Verantwortung für ein Medienhaus trägt, übernimmt damit nicht nur wirtschaftliche, sondern auch gesellschaftliche und öffentliche Verantwortung.“

 

Der SPD-Politiker betonte weiter, er hoffe sehr, dass die einmalige journalistische Tradition des Hauses nicht nur nach aktuellen Marktgegebenheiten und den Interessen des Fernsehsenders RTL bewertet werde. An dem Hamburger Standort arbeiten nach RTL-Angaben 1.750 Beschäftigte. 

 

Ein Sprecher von RTL Deutschland sagte am Mittwoch auf dpa-Anfrage: „Die Analyse des Titelportfolios läuft. Ergebnisse stehen noch nicht fest, sie sind für das erste Quartal 2023 geplant und werden dann entsprechend kommuniziert. Es finden keine Verkaufsgespräche statt.“ Zu Spekulationen über einzelne Titel äußerte sich der börsennotierte TV-Konzern nicht.

 

Hintergrund: Bertelsmann hat Anfang Januar Gerüchte über den Verkauf seiner bekanntesten Zeitschriften zurückgewiesen. Entgegen anderslautender Berichte fänden darüber keine Gespräche statt. Bertelsmann widerspricht demnach einem viel beachteten Artikel aus der „Süddeutschen Zeitung“, wonach bekannte Zeitschriften-Titel des Gruner- und Jahr-Verlags auf dem Markt angeboten würden – unter anderem „Geo“, „Brigitte“ und „Schöner Wohnen“.

 

Der Gütersloher Konzern hat die Zeitschriften inzwischen seiner Fernsehsparte RTL zugeordnet – die meisten leiden wie die gesamte Branche unter sinkenden Auflagen und hohen Energiepreisen.