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dpa

„Gleiche Stelle, gleiche Welle“ − der RIAS hätte 75. Geburtstag

Der RIAS gehörte zu West-Berlin wie Flusspferd „Knautschke“ und die Freiheitsglocke. Der Rundfunk im amerikanischen Sektor strahlte tief in die DDR hinein und verbreitete die westliche Idee von Freiheit.

Berlin (dpa) − Der Radiosender RIAS wäre an diesem Sonntag 75 Jahre alt geworden. Als „Drahtfunk im amerikanischen Sektor“ war die Welle erstmals am 7. Februar 1946 auf Langwellen-Frequenz zu hören gewesen. Der später in „Rundfunk im amerikanischen Sektor“ umbenannte Sender spielte insbesondere während der Frühzeit der deutschen Teilung für Hörer in Ostdeutschland eine gewaltige Rolle. Für die West-Berliner war er außerdem über Jahrzehnte hinweg ein wichtiges Stück Identität.

 

„Noch heute erzählen mir manchmal Menschen von ihren Erinnerungen an bestimmte Sendungen“, sagt Deutschlandradio-Intendant Stefan Raue, dessen Anstalt den 1993 eingestellten RIAS beerbt hat. „Dann bin ich erstaunt, wie präsent dieser Sender noch immer ist, den es ja seit mehr als einem Vierteljahrhundert nicht mehr gibt.“ Der RIAS sei der vielleicht wirkmächtigste Brückenbauer zwischen Ost und West gewesen.

 

Die DDR-Oberen warfen dem Sender immer wieder Propaganda für die USA vor, die ihn 1946 ins Leben gerufen hatten. Der RIAS wurde wiederum nicht müde, Unrecht hinter dem Eisernen Vorhang anzuprangern. Die Welle hatte für die US-Politik eine enorme strategische Bedeutung. Es ging darum, die westliche Idee von Freiheit zu verbreiten. Das konnten Störsender, die den Empfang verzerrten, nicht verhindern.

 

„Der RIAS Berlin war als „freie Stimme der freien Welt“ stilprägend“, erläutert Florian Schütz, einer der beiden Kuratoren der Ausstellung „On Air. 100 Jahre Radio“ im Museum für Kommunikation Berlin. „Der RIAS spielt im Rundfunkkontext eine große Rolle als Gegengewicht zur DDR.“ Großes Gewicht hatten die Sendungen aus dem RIAS-Funkhaus in Berlin-Schöneberg beim Volksaufstand in der DDR, der am 17. Juni 1953 niedergeschlagen wurde, wie Schütz sagt: „Letztendlich ist bei den Ost-Berliner Hörern der Eindruck entstanden, dass ihre Protestbewegung vom Westen, vom RIAS aktiv unterstützt wird.“

 

Viele prominente Namen der Nachkriegszeit sind eng mit diesem Sender verbunden. Chefredakteur Egon Bahr (1922-2015) stieg unter Kanzler Willy Brandt zum Architekten einer neuen Ostpolitik auf.

Hans Rosenthal (1925-1987) wurde als RIAS-Abteilungsleiter für Unterhaltung und Moderator mit seiner stets herzlichen, offenen Art Publikumsliebling in Ost und West. Seine Formate „Allein gegen alle“ und „Wer fragt, gewinnt“ waren Meilensteine des Radio-Entertainments, noch bevor Rosenthal mit „Dalli Dalli“ im Fernsehen durchstartete.

 

Friedrich Luft (1911-1990), der in der Sendung „Stimme der Kritik“ von 1946 bis 1990 Aufführungen Berliner Bühnen besprach, war einer der führenden Köpfe des westdeutschen Feuilletons. „Gleiche Stelle, gleiche Welle, herzlich auf Wiederhören“, sagte er jeden Sonntag zu seinen Hörern. Die Formel wurde zum geflügelten Wort. Die Liste hochkarätiger Reporter und Entertainer ließe sich lange fortsetzen.

Nach dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung war in den 1990ern eine Hauptfunktion des RIAS hinfällig geworden. In Ostdeutschland entstanden flächendeckend neue öffentlich-rechtliche Anstalten. Die „freie Stimme der freien Welt“ hatte sich selbst überlebt. 1994 wurde der RIAS mit dem ostdeutschen Deutschlandsender Kultur und dem Deutschlandfunk im neuen Deutschlandradio-Verbund zusammengefasst. Mit den Jahren folgten neue Strukturen und mehrfach neue Namen. Heute sendet im Funkhaus am Hans-Rosenthal-Platz Deutschlandfunk Kultur.