Vermischtes
Newsroom

Warum Spiegel-Chefredakteurin Barbara Hans gehen muss

Warum Spiegel-Chefredakteurin Barbara Hans gehen muss Barbara Hans (Foto: Michael Kappeler, dpa)

Ende Januar ging ein Viertel der „Spiegel“-Mitarbeiter auf die Barrikaden, um gegen den Umgang mit Chefredakteurin Barbara Hans zu protestieren. „kress pro“ berichtet in seiner aktuellen Ausgabe exklusiv, warum „Spiegel“-Chefredakteur Steffen Klusmann den Zoff mit seiner Redaktion riskierte und warum die Revolte scheiterte.

Hamburg – Ende Januar sorgte das Haus mal wieder für „Spiegel“-typische Schlagzeilen. Eine Gruppe von 135 Mitarbeitern hatte einen offenen Brief an Geschäftsführung und Chefredaktion („Lieber Steffen, lieber Clemens, lieber Thomas, lieber Stefan, vor allem aber auch: liebe Barbara!“) geschrieben. Zuvor hatte „Horizont“ durch eine Indiskretion die bevorstehende Trennung von Chefredakteurin Barbara Hans vermeldet. In dem Schreiben heißt es: „Eine Woche ist es her, dass in anderen Medien von offenkundig vorhandenen Schwierigkeiten in der ,Spiegel‘-Chefredaktion berichtet wurde – in einer Art und Weise, die manche von uns an Mobbing erinnerte und bei der eine in der Redaktion geachtete Chefredakteurin, die jahrelang ausgezeichnete inhaltliche und strategische Arbeit geleistet hat, mit teils ehrabschneidenden Darstellungen überzogen wurde. Das hat uns erschüttert, entsetzt, traurig und wütend gemacht.“

 

Chefredaktion und Geschäftsführung wurden von dem Schreiben überrascht. In einer virtuellen Konferenz machte Chefredakteur Steffen Klusmann wenig später ziemlich deutlich, so berichten Teilnehmer, dass er sich über den Mobbing-Vorwurf ärgerte. Die Sicht der Kritiker ist eine andere: Für sie wurde da eine junge Frau aus der Digitalredaktion brutal kaltgestellt, die noch dazu gerade Mutter geworden ist. Deswegen forderten die Mitarbeiter im offenen Brief auch „eine längst überfällige öffentliche Ehrenerklärung für Barbara, mit einem fairen Umgang untereinander auch bei Differenzen, mit strukturellen Lösungen, bei denen sich die gesamte Redaktion mitgenommen fühlt und nicht bei einer Gruppe das Gefühl entsteht, in der Chefredaktion nicht mehr vertreten zu sein“.

 

Ein Problem mit der fehlenden Repräsentanz haben vor allem Mitarbeiter, die im Digitalen tätig sind – woher die meisten Unterzeichnenden stammen. Was auffällt: Nur rund ein Viertel der mehr als 530 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Redaktion hat unterschrieben. Führungskräfte, namhafte Autoren oder Schwergewichte aus der ehemaligen Printredaktion fehlen.

 

„Der offene Brief zeigt auch, dass der Veränderungsprozess beim ,Spiegel‘, der mit der Fusion der Print- und Onlineredaktionen begonnen hat, noch läuft“, sagte Geschäftsführer Thomas Hass auf „kress-pro“-Anfrage. „Es ist am Ende auch ein Kulturprozess: Aus zwei Kulturen entsteht eine neue. Das muss sich entwickeln und ist nicht innerhalb von zwei, drei Jahren zu machen. Dabei wird es immer mal wieder Fragen und Unsicherheiten geben, die wir aber klären können.“

 

Ein Indiz dafür, dass die Einschätzung der Geschäftsführung keine Floskel ist: Bei einer virtuellen Firmenzusammenkunft mit mehr als 800 Mitarbeitenden, bei der auch anonym Fragen eingereicht werden konnten, gab es zuletzt nur noch eine einzige Frage zum Thema.

 

Zum bevorstehenden Abgang von Barbara Hans wollte die Geschäftsführung nichts sagen. Die Betroffene selbst reagierte auf Anfrage von „kress pro“ nicht. Was zum Glätten der Wogen beitrug, war offenbar, dass Chefredaktion und Geschäftsführung glaubhaft machen konnten, dass der ehemaligen Online-Chefin zwei durchaus attraktive Optionen für eine Anschlussverwendung angeboten wurden, zu denen sich aber Hans nicht durchgerungen hat.

 

Nach außen wird tapfer gesagt, Barbara Hans habe nach ihrer vollständigen Rückkehr nach der Babypause im Sommer vergangenen Jahres ihren Platz in der neu formierten Chefredaktion nicht gefunden. Näher an der Wahrheit ist aber, dass Steffen Klusmann mit ihrer Leistung in der herausgehobenen Stellung schlicht unzufrieden war und andere für die Position besser geeignet findet. Wer anderen viel abverlange, müsse das Leistungsprinzip auch in der Chefredaktion anwenden, um glaubwürdig zu bleiben, meint eine Stimme aus der Redaktion.

 

Klusmann war offensichtlich bereit, für seine Haltung Ärger mit Teilen der Redaktion zu riskieren. Dazu muss man wissen, dass der Chefredakteur weit weniger in die Netzwerke beim „Spiegel“ eingebunden ist als viele andere, weil er erst vor wenig mehr als zwei Jahren vom „Manager Magazin“ zum Nachrichtenmagazin stieß. Das heißt: Er muss weniger Rücksichten nehmen, läuft aber immer auch Gefahr, seinen eigenen Kopf zu riskieren, wenn er die Stimmung falsch einschätzt. „An der Spitze ist die Luft halt dünn“, sagte eine gut unterrichtete Quelle aus der Redaktion zum Konflikt um Barbara Hans.

 

Andere, aus dem Umfeld der ehemaligen Spiegel-Online-Chefin, halten die Argumente für den Abgang von Barbara Hans für vorgeschoben und unterstellen persönliche Motive bei den Beteiligten. Neutralere Stimmen weisen darauf hin, dass die Chefredaktion in der Konstellation mit Barbara Hans augenscheinlich weder harmoniert noch funktioniert habe. Und das könne sich ein Titel wie der „Spiegel“ dauerhaft nicht leisten.

 

Drohen weitere interne Konflikte? Was sich jetzt im Fall Claas Relotius tun. Wieviel Luft hat der „Spiegel“ wirtschaftlich noch? Wer beim „Spiegel“ das Sagen hat: Die wichtigsten 6 Köpfe. Wie der „Spiegel“ schon mehr als 112.000 Digitalabos verkauft hat und weiter wachsen will. Die ganze Geschichte finden Sie hier.

 

In der „kress pro-“Ausgabe 2/2021 erfahren Sie auch, warum Axel Springer im Fall Reichelt so spät reagiert hat, wer die wichtigsten Mediendesigner 2021 sind, wie Focus Online-Chef Florian Festl misst, ob seine Inhalte Lösungen bieten und wie die Erfolgsaussichten der „NZZ“ in Deutschland sind.