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Wenn der Headhunter nur einmal klingelt

Wenn der Headhunter nur einmal klingelt Markus Wiegand

Der Bedarf an guten Führungskräften ist groß. Allerdings gehen die Vorstellungen von Medienhäusern und Spitzenpersonal mehr und mehr auseinander.

Berlin – Für die Titelgeschichte hat „kress pro“ führende Personalberater gefragt, wie Führungskräfte in eigener Sache mit Headhuntern umgehen sollten und was sie beachten müssen, wenn sie selbst Personal für ihr Unternehmen suchen. Chefredakteur Markus Wiegand erzählt in seinem Editorial über seinen Erstkontakt mit Headhuntern:

 

Es ist Zeit für eine Entschuldigung. Bei einem Headhunter. Das war nämlich so: Vor Jahren, als ich in der Schweiz arbeitete und gerade das Magazin „Schweizer Journalist“ mitaufgebaut hatte, rief mich ein Personalberater aus Deutschland auf meinem Mobiltelefon an. Ich war zu Fuß im lauten Zürcher Stadtverkehr unterwegs. Er redete in der Geschwindigkeit eines Wasserfalls. Ich verstand nur Bruchstücke: tolles Unternehmen, großartige Möglichkeiten und so. Am Ende stand die atemlose Frage: „Wie klingt das für Sie?“

 

Ehrlich gesagt klang es so, als wollte mir jemand einen neuen Mobilfunkvertrag verkaufen. Ich hielt das Ganze für einen Telefonscherz – und antwortete also, dass ich erstens nicht beabsichtige, meinen Job zu wechseln, zweitens angesichts des Lohngefüges in Deutschland nicht erkennen könne, dass das überhaupt ein attraktiver Markt sei, und ich im Übrigen nur schwer glauben könne, dass der Anruf echt ernst gemeint sei. Das Gespräch dauerte anschließend nicht mehr allzu lange.

 

Offene Worte von Personalberatern
Ich darf zu meiner Entlastung sagen, dass das Ganze ein einmaliger Fehltritt blieb und ich heute regelmäßig im besten Einvernehmen Kontakt zu Personalberatern pflege. Wenn auch als Branchenjournalist, nicht als Kandidat. Die meisten sind offene, interessierte Menschen, die die Branche intensiv beobachten. Für die Titelgeschichte in dieser Ausgabe haben wir führende Personalberater gefragt, wie Führungskräfte in eigener Sache mit Headhuntern umgehen sollten und was sie beachten müssen, wenn sie selbst Personal für ihr Unternehmen suchen. Außerdem haben wir sie nach Einschätzungen zum Arbeitsmarkt für Führungskräfte gefragt und nach den großen Trends bei der Personalsuche.

 

Wenn man heute den Posting-Strom auf Linkedin verfolgt, kann man ja leicht den Eindruck gewinnen, dass hybride Arbeitsmodelle auch bei hochrangigen Führungskräften inzwischen Standard sind und Arbeitgeber ein ausgewogeneres Verhältnis von Arbeit und Privatleben akzeptieren, als es in der Vergangenheit der Fall war. Die von uns angefragten Personalberater zeichnen ein anderes Bild. Demnach knirscht es gerade in diesen Fragen regelmäßig in den Verhandlungen von Medienhäusern mit Kandidatinnen und Kandidaten.

 

Personalberater Philipp Fleischmann sagt: „An den hohen Erwartungen hinsichtlich Mobilität und Flexibilität hat sich bei Top-Positionen nichts geändert. Geändert hat sich vielmehr die Erwartungshaltung vieler Kandidaten, vermutlich befördert durch die Erfahrungen in der Pandemie, auch auf Top-Positionen partiell aus dem Homeoffice erfolgreich arbeiten zu können. Hier stoßen gegensätzliche Erwartungen beider Seiten derzeit stärker aufeinander als früher.“ Und Kollege Christoph Hartlieb stellt klar: „Die anhaltende Work-Life-Balance-Diskussion halte ich besonders bei Führungskräften für schwierig, weil der Beruf ja auch ein wesentlicher Teil des Life ist.“ Merke: Das Leben ist kein Ponyhof. Außer vielleicht auf Linkedin.

 

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