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Bis zu 50 Prozent weniger Honorar als Freier – was tun?

Bis zu 50 Prozent weniger Honorar als Freier – was tun? Mediencoach Attila Albert

Niedrige Pauschalen und unbezahlte Vielfach-Nutzung: Viele selbstständige Medienprofis verdienen deutlich zu wenig. Teilweise sinken die Honorare in laufenden Geschäftsbeziehungen sogar noch um bis zu 50 Prozent. Mediencoach Attila Albert über Möglichkeiten, sich zu wehren und zu schützen.

Berlin – Ein freier Journalist hatte einem großen Magazin einen Beitrag angeboten, der zu seiner Freude auch angenommen wurde. Per E-Mail kam ein Honorarangebot, dem er zustimmte. Er schickte seinen Text und seine Kontoangaben. Zwei Monate nach Erscheinen war aber noch immer kein Geld eingegangen. Auf Rückfrage erfuhr er nun, dass er auch für diesen einmaligen Beitrag zuerst noch einen Vertrag unterzeichnen müsse. Er kam per Post – eine dreiseitige Vereinbarung, mit der er jedes denkbare Nutzungsrecht übertragen sollte, dazu 14 Seiten mit rechtlichen Regelungen. Zum Verhandeln war es zu spät, er unterschrieb.

 

Vom NDR wird berichtet, dass freie Mitarbeiter dort seit November, je nach Auftrag, 10 bis 50 Prozent weniger verdienen würden. Dafür sollen sie auch noch mehr arbeiten, nämlich tagesaktuell crossmedial für Hörfunk, Fernsehen und Online. Wer sich weigere, komme auf eine schwarze Liste. Aus anderen Redaktionen – quer über die Mediengattungen hinweg – hört man ähnliches. Eine Klientin, freiberufliche People-Journalistin, arbeitet seit langem für mehrere Magazine. Doch weil überall Redaktionen zusammengelegt und Inhalte intern ausgetauscht werden, gibt es dafür – bei gleichem Abdruck – immer weniger Honorar.

 

Der Spardruck ist in den meisten Medienhäusern seit 20 Jahren ein Dauerthema, vor allem wegen stark sinkender Auflagen bzw. Einschaltquoten und der Abwanderung der Anzeigen zu spezialisierten Kleinanzeigen- und Social-Media-Plattformen. Die Coronakrise mit ihren stornierten Anzeigen und vielen geschlossenen Verkaufsstellen, dramatisch vor allem für die unterhaltenden Magazine und Sonntagstitel, ist nur der letzte Anlass. Für selbstständige Medienprofis stellt sich die drängende Frage: Was tun, wenn das Honorar gekürzt wird?

 

Schwierig, den Auftraggeber zu verklagen

Klar ist, dass nur die wenigsten in der Situation sind, von einem großen Medienkonzern oder einem beherrschenden Regionalverlag individuelle Konditionen einfordern zu können. Wenn sie den Auftrag zu den angebotenen Bedingungen nicht wollen, übernimmt ihn ein anderer. Den eigenen Auftraggeber und damit Kunden zu verklagen, ist höchstens rückwirkend eine Option – etwa zum Ende der Geschäftsbeziehung (z. B. wegen Geschäftsaufgabe oder Pensionierung). Denn die Erfahrung zeigt, dass damit nicht nur die Beauftragung endet, sondern ein jahrelanger Rechtsstreit bis zum Bundesgerichtshof daraus werden kann.

 

Ein eindrucksvolles Beispiel veröffentlichte Freelens, der größte deutsche Berufsverband für Fotojournalisten und Fotografen. Im beschriebenen Fall ging es um einen Pressefotografen aus NRW und Funke, allein diesem Bundesland mit vier Tageszeitungen mit mehr als 89 Regionalausgaben vertreten. Zuerst waren die einzelnen Fotoredaktionen zusammengefasst worden, konnten Fotografen also nicht mehr an die einzelnen Titel verkaufen. Daneben stellte Funke vom Abdruckhonorar auf Zeit-Pauschalen um. Zum damaligen Zeitpunkt waren das 115 Euro (im Ausnahmefall 135 Euro) für einen Tag, 60 Euro für einen halben Tag. 

 

Alles, was der Fotograf in dieser Zeit produzierte, konnten intern unbegrenzt in allen Medien verwenden werden, ohne dass mehr ein Zweitabdruck-Honorar fällig wurde. In einem Monat ergab sich dadurch, dass er für nur fünf Tage gebucht und dafür mit 575 Euro bezahlt wurde, die Fotos dann aber 96-mal in den verschiedenen Ausgaben erschienen. Das entsprach rechnerisch einem Abdruckhonorar von 5,98 Euro pro Foto. Für Freie sanken die Honorare hier im Durchschnitt um 30 bis 50 Prozent, schätzt der Verband. Der Rechtsstreit geht auf Änderungen von 2009 zurück und läuft – trotz Erfolg 2020 vor dem BGH – noch immer.

 

Geschäftsbeziehung fortlaufend prüfen

Wie können Sie sich wehren und schützen? Indem Sie die früher oft übliche Annahme, der Auftraggeber würde bei guter Leistung schon angemessen zahlen, völlig vergessen. Prüfen Sie fortlaufend Ihre Geschäftsbeziehungen – wie es Ihr Auftraggeber auch tut.

  • Notieren Sie fortlaufend die Einnahmen pro Kunde und Auftrag (z. B. in einer Excel-Tabelle), dazu Ihren Zeitaufwand und eventuelle Kosten pro Auftrag. Anders als bei einer Monatssumme sehen Sie so, was Ihnen jeder Kunde einbringt.

  • Machen Sie es sich zur Gewohnheit, Ihre aktuellen Kunden mindestens einmal pro Jahr finanziell zu bewerten: Wer bringt Ihnen ausreichend Ertrag für Ihren Aufwand und von wem werden Sie sich trennen, weil sich die Mühe nicht lohnt?

  • Oft ist es eine Option, weiter für einen vielleicht interessanten, aber problematischen Kunden (wenig Umsatz, viel Arbeit) zu arbeiten. Dann aber an weniger Tagen pro Monat. Das schafft Ihnen Zeit, bessere Kunden zu finden und zu bedienen.

  • Wenn Ihnen ein guter Kunde den Großteil Ihres Einkommens bringt, ist das zwar bequem, aber auch riskant und macht Sie erpressbar. Konzentrieren Sie sich in diesem Fall darauf, mehr Kunden bzw. andersartige Aufträge einzuwerben.

  • Überdenken Sie regelmäßig Ihr Geschäftsmodell, auch wenn es schon seit mehreren Jahren gut für Sie funktioniert. Welche Alternativen (z. B. Kombi aus Journalismus und PR) könnte Ihre Einnahmen erhöhen und Ihre Risiken senken?

     

Einiges davon mag Ihnen als Banalität erscheinen. Doch in meiner Coaching-Praxis sehe ich, dass sich viele langjährig tätige Medienprofis diese Fragen nicht konsequent stellen und wirklich einmal im Detail rechnen und planen. Häufige Gründe dafür: Ihr Interesse an den redaktionellen Themen und die Freude an der Arbeit (z. B. am Schreiben). Der Stolz, von einem renommierten Titel überhaupt gebucht worden zu sein. Die Hoffnung, dass es im Lauf der Zeit besser würde, man vielleicht sogar einmal eine Festanstellung angeboten bekäme. Das kann durchaus passieren. Doch Sie sollten sich nicht darauf verlassen oder es dabei belassen, dass Sie „eben kein Zahlenmensch sind“. Kreativität und finanzieller Erfolg schließen einander überhaupt nicht aus.

 

Zum Autor: Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis aus Journalismus, PR und Unternehmenskommunikation als Coach. Schwerpunkt: Berufliche und persönliche Neuorientierung. Im April 2020 erschien sein Buch: „Ich mach da nicht mehr mit“ (Gräfe und Unzer). Mehr als 20 Jahre hat er selbst als Journalist gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“ in Chemnitz, „Bild“ und „Blick“. Für einen Schweizer Industriekonzern baute er die globale Marketingkommunikation mit auf. Er hat Betriebswirtschaft und Webentwicklung studiert.


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