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Vom Chef kleingehalten: Wie sich ambitionierte Medienprofis mehr Freiräume verschaffen

Vom Chef kleingehalten: Wie sich ambitionierte Medienprofis mehr Freiräume verschaffen Attila Albert

Wer viele Ideen hat und wirklich etwas verändern will, fühlt sich in klassischen Unternehmen oft ausgebremst. Trotz aller Konzepte und Präsentationen wird wenig umgesetzt. Mediencoach Attila Albert sagt, welche Möglichkeiten es trotzdem gibt und wann ein Wechsel besser ist.

Berlin – Ein Produktmanager brauchte mehr als ein Jahr, ehe er endlich verstand, was bei seinem neuen Arbeitgeber wirklich ablief. Die meisten seiner Ideen waren zwar begrüßt, aber nie umgesetzt worden. Er durfte Konzepte und Präsentationen abgeben, bekam aber weder zeitliche Freiräume noch Budget für die Umsetzung. Bei seinem Bereichsleiter fühlte er sich bald wie ein lästiger Bittsteller. „Das hat aktuell keine Priorität”, hörte er dort nur immer wieder. „Hast du mit deinem Job nicht genug zu tun?” Dabei war es gerade sein Anliegen, besser und effizienter zu arbeiten. Aber er drang mit seinen Vorschlägen nicht durch.

 

Viele ambitionierte Medienprofis fühlen sich ähnlich: Gebremst mit ihren Vorschlägen, immer wieder nur vertröstet und hingehalten. Aus ihrer Sicht könnten sie, basierend auf ihren täglichen Arbeitserfahrungen, sinnvolle Verbesserungsvorschläge einbringen und direkt umsetzen. Aber es wird ihnen – subtil oder offen – verwehrt. Trotz der angeblichen „Innovationskultur” stoßen sie ständig an Grenzen. Schließlich stellt sich für sie die Frage: Wäre es bei einem anderen Arbeitgeber besser – oder müssten sie sich selbständig machen, um endlich mehr bewegen zu können? Dazu heute einige Gedanken.

 

Komplexe, oft schwerfällige Organisationen
Es gibt wohl kein Unternehmen, das nicht von sich behauptet, dynamische, innovative und unternehmerisch denkende Mitarbeiter zu wollen. Bevor der Begriff in Ungnade fiel, wurden in den Stellenanzeigen regelmäßig „Querdenker” gesucht. Die Realität sah immer ein wenig anders aus. Große Unternehmen sind komplexe Organisationen voller Abhängigkeiten, Strukturen und Regeln. Sie können nur begrenzt mit umtriebigen Mitarbeitern umgehen, die wirklich etwas verändern wollen. Häufig ist Veränderung daher weitgehend Chefsache – von oben nach unten verordnet – und Eigen-PR (LinkedIn-Beiträge, CEO-Ansprachen).

 

Wenn wir ehrlich sind, ist das für die Mehrheit der Belegschaft auch in Ordnung so: Diese Mitarbeiter wollen ihren Job erledigen, haben aber nicht den Ehrgeiz, die Abteilung oder gleich das ganze Unternehmen umgestalten zu wollen. Vielleicht einmal ein betrieblicher Verbesserungsvorschlag, für den es eine kleine Prämie gibt, mehr jedoch nicht. Daneben gibt es aber diejenigen, die – aus eigenem, innerem Antrieb – etwas grundlegend verändern wollen. Ihnen geht es meist nicht einmal um den eigenen Vorteil. Sie haben Freude an kreativer Mitarbeit und Innovation, wollen bessere Ergebnisse für alle.

 

Gerade für diese Mitarbeiter ist es ernüchternd und enttäuschend, wenn sie damit ständig „vor eine Wand laufen”, obwohl ihr Arbeitgeber doch am meisten davon profitieren würde. Besonders verletzend ist für sie, dass ihnen trotz aller Bemühungen offenbar nicht mehr zugetraut wird, als ihre aktuelle Stellenbeschreibung umfasst. Gelegentlich kann das ständige Drängen, diese oder jene Idee endlich umzusetzen, sogar zu einer Eskalation mit dem Chef führen – bis zur „einvernehmlichen Trennung im beiderseitigen Interesse”. Schon im Mitarbeitergespräch zeigen sich oft völlig unterschiedliche Wahrnehmungen.

 

Realistischer Blick auf die Möglichkeiten
Wer sich ständig klein gemacht und von oben gebremst fühlt, sollte zuerst einige Realitäten anerkennen. Erstens, zwischen den Worten und Taten eines Arbeitgebers liegen oft Welten. Ernst nehmen sollte man nur letztere, also die gelebte Unternehmenskultur, nicht das, was als „Unsere Werte” auf der Webseite steht. Zweitens, die möglichen Motive der Vorgesetzten sind breiter gefächert, als man anfangs annehmen möchte. Bei manchen ist es die Angst vor Konkurrenz oder Neid, bei anderen dagegen die Sorge vor eigener Überforderung oder unverantwortlichem Chaos („Du bringst uns hier alles durcheinander”).

 

Berufliche Beziehungen sind bei weitem nicht so rational, wie vor allem unerfahrene bzw. eher idealistische Medienprofis glauben. Auf der „Sachebene” – Argumentation mit Fakten – bleiben Konflikte nur, so lange sie keinem der Beteiligten viel bedeuten. Ansonsten verhalten sich Chefs und Kollegen oft erstaunlich irrational, folgen lieber ihren persönlichen Vorstellungen und Gefühlen. Dazu gehört es oft, aufstrebende, engagierte Kollegen zu bremsen oder wegzudrängen, auch wenn das für das Team oder Unternehmen nachteilig ist. Ebenso, neue Ideen nicht systematisch und anhand von KPI zu bewerten.

 

Nicht selten ist die Annahme sogar realistisch, dass das Unternehmen allzu viele, schnelle Veränderungen gar nicht verkraften könnte. Ihre komplexen, schwerfälligen Strukturen und die Mitarbeiter, die schon so ausgelastet sind, wären damit überfordert. Das Stammgeschäft könnte leiden. Wer sich ein hohes Veränderungstempo mit schnellen, kraftvollen Entschlüsseln wünscht, ist in einem Konzern falsch aufgehoben und sollte besser bei einem Startup oder inhabergeführten Mittelständler arbeiten – oder alternativ selbst gründen. Zum Scheitern verurteilt ist der Versuch, „von unten führen” zu wollen, also den Vorgesetzten überreden oder gar zwingen zu wollen.

Eigene Teams für Innovationsprojekte


Eine Ausnahme stellen die Teams oder Tochterunternehmen dar, die vielerorts speziell für Innovationsprojekte gegründet wurden. Meist aus dem Alltagsgeschäft herausgelöst, sollen sie gerade neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln und zügig im Markt testen. Sollte so etwas bei Ihrem Arbeitgeber existieren, bewerben Sie sich bei Interesse. Achten Sie aber generell auf die Zeichen: Will man wirklich Innovation und Wechsel, wie es offiziell behauptet wird, oder stoßen Sie ständig auf interne Widerstände? Dann ist es besser, den Arbeitgeber zu wechseln oder sich direkt selbständig zu machen.

 

Berücksichtigen Sie, wenn Ihnen Ihre Lage unklar ist, immer auch Ihr Gefühl: Dürfen Sie bei Ihrem Arbeitgeber sagen, was Sie denken – oder nehmen Sie sich schon selbst zurück, weil es sicher wieder Kritik geben wird? Werden neue Ideen gefördert und getestet, auch wenn sie nicht immer funktionieren – oder pfeift man Sie sofort zurück? Für viele passt solch ein Umfeld, sie machen dann eben Dienst nach Vorschrift. Besonders intelligente, kreative und einsatzwillige Mitarbeiter verkümmern dagegen und sollten daher schon zum Selbstschutz wechseln, um nicht bald wie ihr derzeitiges Umfeld zu werden.

 

Zur vergangenen Job-Kolumne: Ungewollt versetzt

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.

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