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Wie das "Hamburger Abendblatt" mit freien Reportern umgeht

Freie Journalistinnen? Freie Journalisten? Welche Stellung nehmen diese Blattmacher und Autoren eigentlich ein, in Redaktionen, in denen sie Tag für Tag sitzen, Ideen liefern, Ansprechpartner für Leser sind? Reporter, die mit ihren Köpfen in den Tageszeitungen erscheinen, eigene Kolumnen bestücken und auf die Leser als die Vertreter des Herrn, des Herrn Verlegers wirken? In der Hackordnung eines Verlages stehen sie ganz unten. Wie der Fall beim "Hamburger Abendblatt" beweist, dessen Chefredakteur Lars Haider so gerne als der Lokaljournalist Deutschlands aus dem Hut gezaubert wird, wenn ernsthafte Entscheider von kleineren Titeln, die nicht minder wirbeln, nicht schnell zu greifen sind.

Hamburg - Gleich zwei neue Regionalausgaben stemmte das Hamburger Abendblatt 2008. Die Welt war noch in Ordnung, Menso Heyl regierte, führte Axel Springers erstes und echtes Lieblingsblatt; Heyl war der, der nicht viel und ständig redete, sondern der machte, der Hamburg lebte. Zwei besondere Regionalausgaben brachte Heyl auf den Weg, die "Lüneburger Rundschau" und das Hamburger Abendblatt für den Landkreis Stade/Buxtehude. Beim Start der "Lüneburger Rundschau" sagte Heyl, "mit dem Ausbau der Regionalausgaben gehen wir noch stärker auf die Bedürfnisse unserer Leser nach mehr regionalen Informationen ein". Auf das Wort von Menso Heyl konnte sich die Redaktion verlassen.

Lüneburg und Stade sind wichtige Gebiete auch für das "Hamburger Abendblatt", bei dem rund 160 festangestellte Redakteurinnen und Redakteure und viele freie Journalisten beschäftigt sind.

Der Städter, der etwas auf sich hält, der Kinder großziehen möchte und es sich leisten kann, auf dem Land zu wohnen, zieht raus aus Hamburg und pendelt. Das Konzept also, spezielle eigene "Abendblatt"-Ausgaben zu konzipieren - trotz der Konkurrenz der "Landeszeitung für die Lüneburger Heide" und "Stader Tageblatt" - bleibt eigentlich ein Mehrwert, die Zeitung ist dort vor Ort, wo der Leser lebt.

Bis zum Sommer diesen Jahres - von jetzt auf gleich verzichtete der Verlag auf seine beiden Regionalausgaben, bündelte sie stattdessen; was dann passierte, ein Lehrstück, wie es nicht vorkommen sollte in deutschen Medienhäusern.

Von einem Tag auf den anderen verloren 18 feste Freie und Pauschalisten, das sind die Tagelöhner im Journalismus, die sicher geglaubten Abmachungen galten nichts mehr. Manche fanden noch eine Beschäftigung in anderen Redaktionen der Zeitung, andere bekamen überhaupt keine Aufträge mehr, obwohl sie schon Monate, Jahre die Lokalseiten befüllten. Besonders bitter - die Reaktion von einigen festangestellten Redakteuren und der von mehreren Seiten bestätige Ausspruch eines Redakteurs, "Zum Glück trifft es die Freien ". Kollegial geht anders.

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Der Fall spielte nicht gestern, sondern schon Anfang August, genauer gesagt am 10. August 2012. Da wurde den Journalistinnen und Journalisten eröffnet, dass ihre Arbeit nicht mehr benötigt wird. Warum NEWSROOM erst jetzt über den Fall berichtet? Weil wir erst kürzlich von den Entlassungen erfahren haben und dann erst recherchieren konnten, mit Betroffenen gesprochen haben, mit Mitarbeitern des Verlags, vertraulich, persönlich. Was auffällt - freie Journalisten halten sich immer noch zu sehr zurück, wenn es um sie selbst geht - dabei müssten sie natürlich auch darauf aufmerksam machen, wenn etwas schief läuft, nicht funktioniert, wie es funktionieren sollte, wie es funktionieren müsste.

Bei Axel Springer heißt es offiziell, dass das Ende der eigenständigen Lokalteile "nicht mit einem Personalabbau in der Redaktion verbunden" war. "Allerdings werden in diesem Zusammenhang weniger Aufträge an freie Mitarbeiter vergeben". Weiter erklärt der Verlag auf NEWSROOM-Anfrage: "Das Hamburger Abendblatt hat ab dem Erscheinungstag 13. August 2012 die Regionalteile für Harburg, Stade und Lüneburg zusammengeführt. Die Zusammenführung der lokalen Berichterstattung aus den drei aneinandergrenzenden Regionen ist redaktionell und wirtschaftlich sinnvoll. Wir hatten die Regionalausgaben Stade und Lüneburg 2008 eingeführt, in den vergangenen Jahren aber gesehen, dass es zwischen den einzelnen Regionalteilen deutliche Überschneidungen gibt. Lokalisierung bzw. Regionalisierung ist und bleibt für das Hamburger Abendblatt die richtige Strategie. Es gilt, die Vielfalt Hamburgs und das Lebensgefühl in den einzelnen Regionen, Stadtteilen und Bezirken in Redaktion und Vermarktung umzusetzen. Darin liegt viel Potential und das werden wir weiterhin ausschöpfen."

An der lokalen Marschrichtung will der Verlag also nichts ändern. Aber wie geht das zusammen, dass freie Journalisten vor die Tür gesetzt werden oder teilweise deutliche Einschnitte bei ihren Einkünften akzeptieren müssen? Und warum müssen Freie, wenn sie schon vor die Tür gesetzt werden, erst ein Arbeitszeugnis einklagen? Warum kann das nicht direkt ausgestellt werden?

Stefan Endter, Geschäftsführer vom DJV in Hamburg, kennt die Nöte von freien Journalisten. Im Gespräch mit NEWSROOM ruft er den Verlag dazu auf, "auch bei solchen Maßnahmen sozial und verantwortungsvoll gegenüber den Kolleginnen und Kollegen zu sein, die lange und gut für das Abendblatt gearbeitet haben". Schließlich sei es für ein Blatt, das eine lokale und regionale Kernkompetenz habe, auch entscheidend, kompetentes Personal für eine kompetente Berichterstattung aus allen Bereichen zu beschäftigen.

Mit Blick auf die Entwicklungen beim "Hamburger Abendblatt" macht Benno Stieber, Chef von den "Freischreibern" noch einmal deutlich: "Freie Kollegen, die regional arbeiten, müssen andere Einnahmequellen finden. Sucht Euch Alternativen!", so Stieber im NEWSROOM-Gespräch. An die Verlage appelliert Stieber, nicht ohne Grund Strukturen zu zerstören.

Lars Haider, Chefredakteur vom "Hamburger Abendblatt", lässt sich im aktuellen "Spiegel" von Markus Brauck und Martin U. Müller im Medienaufmacher des Nachrichtenmagazins so zitieren: "Mit überregionalem Journalismus lässt sich für uns kein Geld verdienen, das finden die Leser kostenlos und nebenbei im Internet, im Radio, im Fernsehen. Bei Geschichten aus Hamburg dagegen kommen sie am 'Abendblatt' nicht vorbei."

Ach so.

Bülend Ürük

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