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Ulrich Meyers "Akte": 20 Jahre Kampf gegen Halunken

"Auf das Gerechtigkeitsempfinden einzugehen, ist gut für die Zuschauerbindung, und die darf für einen Privatsender nicht verloren gehen", sagt Meyer.

Berlin (dpa) - Ulrich Meyers verbraucherorientiertes Sat.1-Magazin "Akte" ist mittlerweile 20 Jahre alt und damit ein Klassiker des deutschen Privatfernsehens. Die Vielfalt des Netzes hat die Sendung aber bedrängt, sie in weiten Teilen sogar ersetzbar gemacht. Doch die "Akte" - davon ist Ulrich Meyer, der Schöpfer, Moderator und Produzent der Sendung, überzeugt - hat noch lange nicht ausgedient. Die Jubiläumsausgabe läuft an diesem Dienstag um 22.30 Uhr.

Frage: Herr Meyer, als die "Akte" am 4. Januar 1995 startete, galt das Fernsehen als große Treibkraft der journalistischen Themensetzung, heute regiert das Netz. Wie kann sich da ein Relikt wie die "Akte" behaupten?

Antwort: Die "Akte" hat in vielerlei Hinsicht nicht mehr die Alleinstellungsmerkmale wie einst, auch weil sich im Netz viele tummeln, die Ratschläge erteilen. Deswegen haben wir uns im Untertitel umbenannt. Wir sagen nicht mehr "Reporter decken auf", sondern "Reporter kämpfen für Sie". Das haben wir uns seit 2008 vor allem anderen auf die Fahne geschrieben. Und dieser Kampf verlangt journalistische Ressourcen, die so im Netz nicht möglich sind. Deswegen muss es Fernsehsendungen wie unsere geben.

Frage: Wo stecken denn heute die schwarzen Schafe, denen Sie den Kampf ansagen?

Antwort: Da hat sich in den vergangenen zwei Jahren wieder einiges geändert. Es sind nicht mehr die großen Geldthemen wie Baupfusch. Unsere Zuschauer tragen alltägliche Probleme an uns heran, zum Beispiel wenn einem Jugendlichen in Barcelona das Handy geklaut wird, anschließend sind 9000 Euro vertelefoniert, und der Telefonanbieter beharrt auf Begleichung der Rechnung. Auch nicht gelieferte Online-Bestellungen, falsch bemessene Quadratmeterzahlen bei Mietwohnungen und oft dramatische Gewichtsprobleme sind Themen, denen wir nachgehen.

Frage: Früher jagten "Akte"-Reporter Gangster über viele Sendungen quer durch die Welt. Ist das noch im Budget drin?

Antwort: Betrügern fünf, sechs Folgen nachzustellen, nur auf Verdacht durch halb Europa zu jagen, das geht nicht mehr, das würden wir uns heute nicht mehr erlauben. Wir müssen zusehen, von unseren Reportern unterwegs Zudrehs zu mehreren Geschichten geliefert zu bekommen, und Reisen homöopathisch einsetzen.

Frage: Es gab auch Zeiten, in denen wartete die "Akte" mit einem Scoop auf, der Schlagzeilen lieferte: Koks im Bundestag.

Antwort: Dies war damals ein reiner Zufallstreffer. Heute wissen wir, dass besonders viele Menschen von uns anderes warten: unsere Hilfe. 100 000 Mails haben uns in den ganzen Jahren erreicht - das ist eine belastbare Zahl. Wir haben vor wenigen Jahren über eine Frau berichtet, die alles verloren hatte: Kaum war die Sendung vorbei, bildeten die "Akte"-Zuschauer von sich aus erstmals eine Art aktiver Community: Einer baute ihr eine neue Küche ein, der andere baute ihr einen Ersatzmotor fürs Auto ein. Das ist die Stärke des Formats. Der Sender weiß, wie dicht wir am Publikum dran sind: Auf das Gerechtigkeitsempfinden einzugehen, ist gut für die Zuschauerbindung, und die darf für einen Privatsender nicht verloren gehen.

Frage: Was den Sendeplatz anbelangt, ist die "Akte" lange stiefmütterlich behandelt und hin- und hergeschubst worden. Herrscht da mal Ruhe im Karton?

Antwort: Wir sind von Mittwoch auf Montag, dann auf Dienstag, auf Donnerstag und wieder auf Dienstag gewandert. Der letzte Sendeplatzwechsel ist aber lange, lange her. Das Junktim mit dem Movie vor uns und der "Akte" danach funktioniert. Unser größtes Problem ist der Sport - seit die Pflichtspiele der Fußball-Nationalmannschaft inzwischen auch immer dienstags sind, haben wir die allein in 2014 vier Mal gegen uns gehabt. Und raten Sie mal, an welchem Abend Deutschland Brasilien mit 7:1 schlug!

Frage: Ende 2015 werden Sie 60 Jahre alt - Werden Sie sich eines Tages verabschieden, ohne dass Sie vom Bildschirm getragen werden müssen?

Antwort: Ich habe einen genauen Plan, und keiner wird mich tragen müssen. Es bleibt meine Produktionsfirma, die "Akte" ist das wesentliche Format. Im Sommer 2015 ist die 1000. Ausgabe zu sehen. Wir haben ein Spin-Off mit der "Service Akte" auf Sat.1 Gold. 2011 habe ich die Geschäftsführung meiner Firma Meta Productions an meine langjährigen Partner von Endemol abgetreten und dabei keine heißen Zähren vergossen. Wir werden mit erfahrenen Kräften weitermachen.

ZUR PERSON: Am 26. Dezember 1955 in Köln geboren, gehörte zu den frühen Stars des Privat-TV. Er volontierte bei der "Kölnischen Rundschau", wechselte zu RTLplus, moderierte das Diskussionsformat "Explosiv - der heiße Stuhl". 1992 wechselte er zu Sat.1. Meyer ist in zweiter Ehe mit der Journalistin Georgia Tornow verheiratet.

Interview: Carsten Rave, dpa