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Joachim Braun: Wir müssen so cool werden wie Apple

Joachim Braun: Wir müssen so cool werden wie Apple Joachim Braun

Der Redaktionschef der Zeitungsgruppe Ostfriesland sieht die Pandemie als Digitalisierungsbooster. Aber was heißt das nun für die Praxis?

Frankfurt – Die Zeitungsgruppe Ostfriesland sucht traditionell neue Wege für klassische Lokalzeitungen. Das macht sich jetzt positiv bemerkbar, wie Joachim Braun im Interview mit Chefredakteurin Annette Milz im aktuellen „medium magazin“ erklärt: „Die Pandemie hat uns mitten in unserer Neuorganisation hin zu Digital first erwischt. Wir hatten außerdem im Februar von harter Paywall auf ein Plus-Modell umgestellt und eine 1-Euro-Aktion für ein Probeabo gestartet. Das lief hervorragend: Die Zahl der Onlinekäufe hat sich bis Mitte Juni mehr als verdreifacht, von 480 auf 1.800.“ 

 

Für die Redaktion sei der Lockdown ein Booster gewesen, weil er alle Vorbehalte gegen mobiles Arbeiten erledigt habe: „Zwangsläufig haben die meisten von zu Hause gearbeitet – ohne Probleme und ohne Klagen.“

 

Zudem seien plötzlich alle externen Termine ausgefallen, was den vor über einem Jahr eingeschlagenen Weg zum Themenjournalismus enorm beschleunigt habe. Diese Umstellung sei gerade im Lokaljournalismus das eigentlich Schwierige, weil das in einer Digital-first-Organisation verlässliche Vorausplanung und Mitdenken aller für alle Formate bedinge. „Bei der ,Ostfriesen-Zeitung‘ haben wir deshalb radikal umgestellt, weil unsere Lokalausgaben zum Jahreswechsel 2019/2020 von vier auf eine reduziert wurden. Umso wichtiger wurde da schon das Konzept Themenjournalismus. Das läuft heute noch nicht ganz reibungslos, wird aber mit jedem Monat besser.“

 

Gerade jetzt sieht der Redaktionschef enorme Chancen für Loklajournalismus: „Die Krise fokussiert unsere Aufgaben stärker. Die Unsicherheit der Leser und ihr daraus resultierendes Informationsbedürfnis haben der Nachricht neuen Wert verliehen. Zudem zeigt sich, wie wichtig es ist, Dinge gut einzuordnen, eine gesellschaftliche Diskussion in Gang zu bringen, der Politik nicht einfach hinterherzulaufen, den vielen Verschwörungstheorien im Netz Paroli zu bieten.“

 

Nach der Pandemie hingegen befürchtet Braun, dass das Leserinteresse zunächst einbrechen wird, der Run auf die digitalen Nachrichtenangebote sei ja bei vielen bereits spürbar geringer geworden. Die große Kunst werde sein, „die Menschen trotzdem auf unseren Onlineseiten zu halten. Das wird nur mit qualitätsvollem Journalismus gelingen, und dazu gehört, dass wir uns von alten Zöpfen lösen. Es reicht nicht mehr, Chronist einer Region zu sein. Wir müssen den Menschen attraktive Geschichten mit Spannung und Nutzwert für ihren Lebensalltag liefern.  Anders gesagt: Wir müssen so cool werden wie Apple.“

 

Das ganze Interview lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des „medium magazins“.


Zur Person: Der in Lüneburg geborene 55-jährige Joachim Braun ist – nach Stationen bei „Tölzer Kurier“ (1997 bis 2011), „Nordbayerischer Kurier“ (2011 bis 2016), „Frankfurter Neue Presse“ (2016 bis April 2018) – seit November 2018 Chefredakteur der ZGO Zeitungsgruppe Ostfriesland („Ostfriesen-Zeitung“, „General-Anzeiger“ und „Borkumer Zeitung“) mit Hauptsitz in Leer.

 

Weitere Themen im Heft:

  • 30 unter 30: Die jungen Talente im deutschen Journalismus
  • Welche Journalistinnen und Journalisten es in die Bestenliste 2020 geschafft haben. Was sie können und woher sie kommen.
  • „Wir müssen so cool werden wie Apple“. Joachim Braun, Redaktionschef der Zeitungsgruppe Ostfriesland, sieht die Pandemie als Digitalisierungsbooster. Aber was heißt das nun für die Praxis?
  • „Wir kommen!“ Über „Black Lives Matter“ und Diversität wird viel berichtet. Aber wie halten es die Redaktionen selbst? Fünf „Top 30er“ über ihre Erfahrungen.
  • Das Beste aus zwei Welten: Arbeiten im Freien-Kollektiv. Wer die Gruppenstruktur einer Redaktion, aber nicht deren Verbindlichkeiten liebt und einen Zusammenhalt mit gegenseitiger beruflicher Unterstützung sucht, ist im Freien-Kollektiv gut aufgehoben.
  • „Ist der deutsche Journalismus viel zu weiß?“ Diversität in Medien: Scheinheiliger Trend oder echte Wende?, fragt sich Marieke Reimann.
  • Was hat das verbale Dribbeln gebracht?. Fünf Fragen an: Robby Hunke, Fußball-Kommentator der ARD und Balkon-Twitterdribbler.
  • Überall nur Fake News. Dieses Mantra ist gefährlich, sagen Forscher. Warum das so ist und wie Journalistinnen und Journalisten im Kampf gegen Desinformation vorgehen sollten.
  • Wer hält den Freien in der Pandemie die Treue? Und wer lässt sie in der Not völlig im Stich? Ein Rundblick in Deutschland, Österreich und der Schweiz wirft ein Schlaglicht auf unterschiedliche Praktiken in Verlagshäusern und Ressorts.
  • Extra! 16 Seiten Journalisten-Werkstatt „Einfache Sprache“. Wie Texte verständlicher werden.
  • Plötzlich ist der Datenjournalismus so gefragt wie noch nie. In der Corona-Krise erlebt der datengetriebene, visuelle Journalismus eine Blütezeit und zeigt der Medienbranche: die Zahlungsbereitschaft der Online-Leserschaft nimmt zu. Wie kann das so bleiben? Details von Barnaby Skinner, Leiter des Ressorts Visuals bei der „NZZ“.
  • Erdrücken die Öffentlich-Rechtlichen die Privaten? Welche zeitgemäßen Rahmenbedingungen braucht das duale Mediensystem? Und wie sieht das in der Schweiz und in Österreich aus?
  • Der Journalismus nach Corona. Sechs Thesen von Medienexperte Jeff Jarvis 
  • Was bringt ein Zukunftsressort? Der Wiener „Standard“ hat vor rund einem Jahr das erste Zukunftsressort einer deutschsprachigen Tageszeitung gestartet. Ein erster Zwischenbericht.
  • Relaunch in der Corona-Krise. „20 Minuten“ – das reichweitenstärkste private Medium der Schweiz – forciert Video und Liveformate.
  • Mobil in der Pandemie. Alles stand still. Wie wirkt sich das auf die Mobilitätsexperten in den Redaktionen aus?
  • Was bleibt vom Homeoffice? Journalistinnen und Journalisten haben ad hoc ihre Newsrooms geräumt und schlagartig das virtuelle Arbeiten gelernt. Arbeiten bald alle von zu Hause aus? Eine Zwischenbilanz.
  • Wie entspannen Sie sich, Frau Würzbach? Alexandra Würzbach ist seit Ende 2019 Chefredakteurin von „Bild am Sonntag“. Ihren aktuellen Familienstand gibt sie als „verliebt“ an.