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Machtkampf bei ProSiebenSat.1 geht weiter: Absage an Berlusconi-Forderungen

Im Vorfeld der Aktionärsversammlung am 30. April erhöht die Familie Berlusconi als Großaktionär den Druck auf die hoch verschuldete ProSiebenSat.1 Media SE und fordert die Aufspaltung des Konzerns. Dem zeigen Vorstand und Aufsichtsrat die kalte Schulter.

Berlin (KNA) – Der Medienkonzern ProSiebenSat.1 hat Forderungen seines Großaktionärs MFE Media for Europe abgelehnt, den hoch verschuldeten Konzern aufzuspalten und sich von diversen Geschäftsfeldern zu trennen. Vorstand und Aufsichtsrat der börsennotierten ProSiebenSat.1 Media SE wiesen auch Vorschläge von MFE sowie eines weiteren Großaktionärs zur Neubesetzung des Aufsichtsrats zurück.

 

Hinter MFE steht die Familie des im Sommer 2023 verstorbenen Medienunternehmers und mehrfachen italienischen Regierungschefs Silvio Berlusconi. MFE hält 29 Prozent der Anteile an der ProSiebenSat.1 Media SE, der andere Großinvestor, die von der tschechischen Milliardärin Renata Kellnerova geführte PPF, rund 15 Prozent. Beide haben in den letzten Jahren ihre Anteile systematisch aufgestockt und sind bereits im Aufsichtsrat vertreten. Sollte MFE zukünftig die Schwelle von 30 Prozent der Anteile überschreiten, müsste die Holding den anderen Aktionären ein Übernahmeangebot machen. Zu Berlusconis Lebzeiten wurde eine mögliche Übernahme des Konzerns durch MFE auch in der Politik kontrovers diskutiert, da man eine Einflussnahme wie bei Berlusconis italienischen Privatsendern fürchtete. Auch Mediengewerkschaften hatten mehrfach vor einem zu großen Einfluss der Familie Berlusconi im deutschen Medienmarkt gewarnt.

 

Am 30. April findet in München die Jahreshauptversammlung des mit rund 1,55 Milliarden Euro verschuldeten Konzerns statt, bei der über die Anträge von MFE und PPF abgestimmt wird. Neben Privatsendern wie ProSieben, Sat.1 und Kabel 1 gehört auch der Streamingdienst Joyn zu dem Unternehmen. Dazu kommen E-Commerce-Aktivitäten wie der Parfümerieshop Flaconi, das Vergleichsportal Verivox oder das Gutschein- und Erlebnisunternehmen Jochen Schweizer sowie das Dating-Portal Parship. MFE fordert, dass diese umgehend aus dem Konzern herausgelöst und eigenständig weiterbetrieben oder verkauft werden.

 

Hohe Fluktuation im Vorstand

In den letzten Monaten war der ProSiebenSat.1-Vorstand mehrfach umgebaut worden. Seit Ende 2022 führt der ehemalige RTL-Manager Bert Habets den Konzern. Vor wenigen Tagen hatte Personalvorständin Christine Scheffler ihren Rücktritt zum 31. März erklärt und dies mit „unterschiedlichen Positionen über die nächsten Schritte der Unternehmensaufstellung“ begründet. ProSiebenSat.1 hatte in den letzten Jahren bereits massiv Personal abgebaut.

 

Brancheninsider rechnen auch weiterhin mit Entlassungen im Rahmen des laufenden Konzernumbaus. Bei der Präsentation der Jahresbilanz Anfang März hatte Habets eine klare Ausrichtung des Unternehmens auf den Entertainment- und TV-Bereich verkündet. Im klassischen TV machen dabei den Sendern der Gruppe die Rückgänge im Werbegeschäft zu schaffen. Auch Habets Strategie, den Streamingdienst Joyn für andere Anbieter zu öffnen und beispielsweise die Mediatheken von ARD und ZDF an Bord zu holen, verliefen bisher im Sande.

 

Den Forderungen von Berlusconis Sohn und Nachfolger bei MFE, Pier Silvio Berlusconi, die Unternehmensbereiche sofort zu trennen, erteilte der Konzern eine Absage. „Vorstand und Aufsichtsrat der ProSiebenSat.1 Media SE verfolgen seit einem Jahr konsequent die Strategie der Fokussierung auf das Entertainment-Segment“, heißt es auch nochmals in einer am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme. Der Vorstand prüfe laufend „mögliche Schritte und bereitet im Hinblick auf einzelne Beteiligungen der Segmente Commerce & Ventures sowie Dating & Video entsprechende Verkäufe vor“. Ein solcher Schritt solle aber „im Interesse des Unternehmens und aller Aktionäre erfolgen“ und „die Verschuldung und den Verschuldungsgrad“ der gesamten Gesellschaft erheblich reduzieren. Dies wäre bei einer zuvor vollzogenen Abspaltung nicht mehr möglich. Für einen eigenen Börsengang seien die E-Commerce-Töchter trotz positiver wirtschaftlicher Entwicklung nach Konzerndarstellung zudem noch nicht reif. „Es fällt uns schwer, irgendeinen positiven Aspekt dieser Abspaltung abzugewinnen“, erklärte ProSiebenSat.1-Aufsichtsratschef Andreas Wiele.

 

Damit dürfte es bei der Hauptversammlung Ende April zu einem Machtkampf kommen - vor allem, wenn sich, wie von Brancheninsidern erwartet, Renata Kellnerova auf die Seite von MFE schlägt.